Die Basisgarderobe (capsule wardrobe) eignet sich sowohl für Shopping-Muffel als auch für Fashionistos. Dem einen verhilft sie mit wenigen Kleidungsstücken zu einem soliden Stil – dem anderen eröffnet sie viele neue Kombinations-Möglichkeiten. Und wieder mehr Geld für anderes. Wenn die richtigen Kleidungsstücke im Schrank hängen! Oder wie es der Amerikaner so schön überschwänglich sagt: Das sind die Key-Pieces, die sich am besten kombinieren lassen. Das sind die Kleidungsstücke, aus denen du das meiste rausholst.
„Minimal Fashion“ haben die beiden Autorinnen Anna Bronowski und Juliana Holtzheimer ihr Buch genannt. Darin empfehlen die Mode-Designerinnen des Hamburger Labels Jan’n June mit nur wenigen Kleidungsstücken eine vielseitig kombinierbare Basisgarderobe zusammenzustellen. Was für ein Zufall; natürlich aus ihrer Kollektion.

Das Buch richtet sich primär an Frauen – doch auch Männer finden darin jede Menge nützliche Tipps, wie eine Capsule Wardrobe oder Basisgarderobe hilft, mehr aus seinem Kleiderfundus zu machen. Denn seien wir mal ehrlich Männer: Der Schrank hängt voll – aber für den harten Büro-Tag oder den besonderen Abend haben wir trotzdem nicht das richtige anzuziehen.
Und wenn der Kleiderschrank zu zwei Dritteln für Haushaltsgegenstände, Handtücher und Bettzeug reserviert ist, weil man(n) eben wenig braucht: Auch modemuffelige Männer können mit wenig Kleidung viel aus sich machen. Zum Beispiel mit zwölf Kleidungsstücken zehn Outfits für den Urlaub zusammenstellen, wie Stylistin Reachel Bagley schön zeigt:
Die Capsule Wardrobe: umfasst eine reduzierte, relativ geringe und zu deinem Leben passende Auswahl an Kleidungsstücken, die in verschiedenen Kombinationen zu allen Anlässen getragen werden können.
Durchschnittlich 73 Kleidungsstücke hängen heutzutage bei Männern im Schrank. Zum Vergleich: bei Frauen sind es 118 (Quelle: Greenpeace). Ein Drittel aller Deutschen hat aber mindestens doppelt so viele im Schrank. Viele davon sind so genannte „Schrankleichen“; wir tragen sie selten bis gar nicht. Fehlkäufe. Und sie sind ein Beleg, dass sie nicht in unsere Garderobe passen. Was gehört indes in eine Basisgarderobe? Die Antwort in fünf Schritten.
Fünf Schritte:
Ausmisten: Frühjahrsputz
Ziel ist es hierbei nicht, einfach nur weniger zu besitzen, sondern das Richtige im Schrank zu haben. Und mit diesen Kleidungsstücken auch wirklich glücklich zu sein! Der Saisonwechsel ist ein hervorragender Zeitpunkt zum Ausmisten: Wir wechseln von der Sommer- auf die Herbst-Garderobe oder von der Winter- auf die Frühlings-Garderobe. Dabei können wir gut eine Bestandsaufnahme machen, was wir im Winter gar nicht getragen haben. Hier drei Tipps zum Blitzausmisten aus dem Buch von den beiden Autorinnen, die auch Männer machen können:
- Marie-Kondo-Methode: Marie Kondo ist eine japanische Bestseller-Autorin, bekannt aus ihrer Netflix-Serie Aufräumen mit Marie Kondo. Nach ihrer Methode nimmst du jedes Kleidungsstück in die Hand und schaust, ob du dich mit ihm noch wohlfühlst. Was ein ungutes Gefühl auslöst, fliegt raus. So bleiben auch Kleidungsstücke im Schrank, die noch einen nostalgischen Wert haben. Das T-Shirt mit dem Logo meiner Universität trage ich zum Beispiel nie, aber es dürfte niemals wegkommen. Und: So müsst ihr Kleidungsstücke jeweils nur einmal anfassen. Das spart Zeit.
- Zwischenstufe einfügen: Ich trenne mich ungern von Kleidung endgültig. Teile, die ich selten bis gar nicht anziehe, verstaue ich lieber erst mal in einer Plastiktasche unter dem Bett. Was ich noch mal brauche, kann ich so fix hervorziehen. Was ich innerhalb von 1-2 Jahren wirklich nicht mehr getragen habe, kommt weg.
- Die Bügel-Methode: Einfach jetzt im Frühling alle Kleiderbügel verkehrt herum in den Schrank hängen. Sobald du etwas trägst – den Bügel richtig herum drehen. So stellst du dann zum nächsten Saisonwechsel schnell fest, was du tatsächlich anziehst. Für Legeware wie T-Shirts und Strickjacken empfiehlt sich, die Teile ebenfalls verkehrt herum zu drehen, zum Beispiel mit dem Kragen nach vorn statt wie gewohnt nach hinten. Wann du Bestandsaufnahme machst, bleibt dir überlassen.
Selbstanalyse: Farbtyp und Figurtyp
„Die Unsicherheit, was einem steht, führt zu unnützen Schrankleichen“, sagen Anna Bronowski und Juliana Holtzheimer. Deshalb ist der erste Schritt, wirklich zu wissen:
- Welcher Farbtyp mann ist.
- Und welcher Figurtyp.
Beim Farbtypen unterscheidet man zwischen Frühlingstyp, Sommertyp, Wintertyp und Herbsttyp. Hier gibt es eine gute Seite, die die einzelnen Typen beschreibt. Und hier gibt es Tipps, welcher Figurtyp du bist.
Falls du dich nicht einordnen kannst, kein Problem: Viele Menschen sind Mischtypen. Solche Tools geben dir aber eine gute Anleitung, was dir steht – und was nicht. Am besten machst du mal eine Farb- und Typberatung mit (hier mein Test).

Alltags-Analyse
Ein guter Tipp, den ich aus dem Buch „Fashion – Was verrät mein Stil über mich“ von der US-amerikanischen Psychologin Jennifer Baumgartner habe (hier mein Blogpost dazu): Schau dir mal an, für welche Gelegenheiten du Kleidung kaufst – und für welche du sie tatsächlich brauchst. Ich selbst tappe immer wieder in die gleiche Falle: Ich kaufe gern schicke Sakkos und Hemden für Events, Dinner-Abende und so weiter – und trage sie dann selten bis nie, weil es nicht so viele Anlässe gibt. Gleiches gilt für die Ausgeh-Shirts. Um ehrlich zu sein: ich gehe seltener auf die Tanzfläche als ich T-Shirts hierfür im Schrank habe.
Deshalb gilt: Guck einmal, wie viel Zeit du wo verbringst. Kleidung brauchst du: für die Arbeit, für die Freizeit, für den Sport, für festliche Anlässe. So solltest du auch deine Garderobe entsprechend aufbauen. Die Königskür der Basisgarderobe ist es, Allrounder zu finden, die für fast alle Anlässe klappen. Baumgartner nennt zum Beispiel die weiße Bluse für Frauen, die sich mit Accessoires leicht updressen lässt. Bei Männern ist das Pendant das perfekt sitzende weiße Hemd, das sowohl sportlich als auch beruflich und formell getragen werden kann. Mehr dazu in meinem Artikel Shopping-Hacks für Männer. Und hierzu auch das Video von Cladwell, die betonen: Neutrale Farben lassen sich am besten kombinieren.
Key Pieces herausfinden
Worin fühlst du dich am wohlsten? Was sind deine wirklichen Lieblingsteile, die du immer wieder anziehst? Wenn du die gut miteinander kombinieren kannst, bist du schon fast bei der Basisgarderobe angekommen. Achte hier zudem auf Qualität, denn billige Materialien werten das Outfit ab – und haben leider eine geringe Halbwertszeit. Das ist umso ärgerlicher, wenn einem das Teil wirklich gefällt und es sich sehenden Auges von Wäsche zu Wäsche auflöst und knubbeliger wird. Und ab sofort gilt: Kaufe keine Kompromisse mehr. Bei einem neuen Kleidungsstück sollte es BAMM machen. Ein mulmiges Bauchgefühl heißt nur eines: zurückhängen. Oder wie es der der Fashion-Redakteur Scott Omelianuk so schön auf den Punkt brachte:
Wenn du dir nicht sicher bist, ob dir ein neues Kleidungsstück steht oder nicht – dann steht es dir nicht.
Wie du solche Fehlkäufe und andere Denkfehler beim Shoppen vermeidest, erkläre ich hier: Klüger kaufen.
Hier fünf nützliche Fragen von den Buch-Autorinnen für deinen nächsten Einkauf:
- Brauche ich das Kleidungsstück wirklich?
- Habe ich schon so etwas Ähnliches?
- Bin ich in Shopping-Laune, weil ich gefrustet bin?
- Im Urlaub: Könnte ich es auch zu Hause tragen?
- Im Sale: Kaufe ich es wegen des reduzierten Preises oder wegen der Qualität?
- Und hier die sechste von mir: Nutze die Dreier-Regel bei deinem Einkauf: Fallen dir gleich drei Outfits für das Wunsch-Kleidungsstück ein? Dann ab damit in den Warenkorb.
Die Capsule Wardrobe für Ihn
In ihrem Buch empfehlen Anna Bronowski und Juliana Holtzheimer die Basisgarderobe für Frauen – wir wandeln die Liste für Männer um und beziehen noch weitere Quellen ein. Auf Basis dieser verschiedenen Quellen folgt hier die perfekte Basisgarderobe für ihn.
Das sind die vielseitigsten Kleidungsstücke, die sich am besten kombinieren lassen:

- 1 weißes Hemd (im Idealfall maßgeschneidert)
- 1 Oxford Hemd (mit Knöpfen am Kragen)
- 1 hellblaues Hemd (entweder uni oder gestreift)
- 1 Jeanshemd
- 1 Overshirt, ein derberes Hemd mit aufgesetzten Brusttaschen (mehr dazu in meinem Trendbericht 2020)
- 1 lässiges Poloshirt als Farbakzent
- 1 weißes T-Shirt
- 1 schwarzes T-Shirt (beide in einer guten Qualität, weil sie viel gewaschen werden)
- 1 schwarzes Hemd für abends
- 1 schwarzer Anzug (das Pendant zum Kleinen Schwarzen der Frau) für den Abend
- 1 anthrazit oder dunkelgrauer Anzug für den Arbeitstag, falls Anzugpflicht in deiner beruflichen Position besteht
- 1 Sportsakko / Blazer
- 1 schlichte schwarze Stoffhose
- 1 Chinohose in khaki/beige
- 3 Jeans: dunkelblau, schwarz, grau (die drei am häufigsten gekauften Farben laut TextilWirtschaft)
- 1 hellblaue Jeans (optional)
- 1 Langarm-Shirt mit betronischen Streifen
- 1 Strickjacke für den Herbst/Winter zum Beispiel mit Flechtoptik
- 1 Rollkragenpullover aus Merinowolle
- 1 Cardigan in grau für den Sommer oder:
- 1 Sweatshirt in grau
- 1 Trenchcoat
- 1 Wintermantel
- 1 schwarze Lederjacke (die wirklich hochwertig ist)
- 1 Bomberjacke oder Blouson oder Parka
- 1 Jeansjacke
- 1x weiße Sneaker
- 1x schwarze Lederschuhe
- 1x braune oder cognac Lederschuhe
- 1x Stiefelette
- 1x Boots für Schmuddelwetter
Was ein stilvoller Mann außerdem braucht, verrate ich hier in meinem Blog-Post: Tom Fords Liste der 15 Dinge, die jeder Mann besitzen sollte.
3 comments
Hallo Joerg, danke für den blogpost!
Geschmäcker sind unterschiedlich wie die Lebensentwürfe im 21. Jhdt – und dementsprechend die benötigten Klamotten. Deshalb lässt sich über so eine Liste natürlich diskutieren – ich finde sie völlig in Ordnung.
Worüber sich aber die meisten einig sind, die sich mit Herrenmode beschäftigen, ist, dass ein schwarzer Anzug trotz seiner scheinbaren Ubiquität und Beliebtheit in Branchen, die in der öffentlichen Berichterstattung und Wahrnehmung deutlich verzerrt überrepräsentiert sind, sprich: Hollywood, Designer, Filmcharaktere – keine sinnvolle und gut aussehende Anzugfarbe als Allrounder für Beruf und Freizeit ist. Wenn man denn nur einen Anzug besitzt, dann in navy/dunkelblau, anthrazit oder sogar weniger traditionell in dunkelgrau. Schwarz is für Bestattungsunternehmer, Türsteher und Moskau-Inkasso. Oder eben in o.g. Branchen als wenig schmeichelhafte Uniform mit schwarzen T-Shirt drunter. Es gibt einige Gründe, die unabhängig von Trends sind, dafür, dass international schwarz seit Jahrzehnten keine übliche Anzugfarbe bei gut gekleideten Männern war. Gute Infos zum Thema bei den bekannten (inter)nationalen Foren und Bloggern.
Danke lieber Chris, ich freue mich immer über so konstruktive Kommentare. Wie es der Zufall will, habe ich am Samstag eine Stilberaterin interviewt, die genau dasselbe sagte. Ich werde die Liste hier entsprechend anpassen und das Interview demnächst verlinken. Schöne Grüße Jörg
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen