Körperform, Farbtyp – das sind bekannte Kategorien, um sich als Mann besser anzuziehen. Elisabeth Motsch setzt noch eine drauf: Sie sieht den Charakter als das Entscheidende, sich als Herr stilvoll im Business anzuziehen – und ganz wichtig: die Dresscodes kennen. Warum sich Philosophen niemals für Frühlingsfarben erwärmen werden, inwiefern deutsche Männer aus dem Socken-Sandalen-Zeitalter raus sind – und warum Elisabeth Motsch auf einer Tagung mit einem Mann im schwarzen Anzug, tiefer Stimme und babyrosa Krawatte ein ganz schwieriges Gespräch hätte.

Frau Motsch, immer wieder empfehlen Stylisten für spannende Outfits bewusste Brüche einzubauen: die Turnschuhe zum Anzug, der Trenchcoat zu den Track-Pants – jetzt sagen Sie: „Stil entsteht durch Harmonie.“ Wie geht das für den Dresscode im Business für Herren zusammen?
Elisabeth Motsch
: Stil entsteht nicht nur durch Harmonie in der Kleidung. Das wäre zu überspitzt formuliert. Aber lassen Sie mich ein Beispiel geben: Nehmen wir einen rebellischen Männertyp, der aalglatt angezogen ist: Dieser Typ wirkt dann überhaupt nicht in seiner Kleidung.

Warum nicht?
Weil sein rebellischer Charakter sich in der Kleidung nicht widerspiegelt. Seine Harmonie ist in diesem Fall der Stilbruch. Anderes Beispiel: Der Trendsetter. Er muss als Kreativer Trends aufgreifen, darf hier ruhig Brüche tragen – sonst wirkt er nicht stimmig.

Dresscode 1 für Herren im Business: „Wichtig ist eine Linie in der Garderobe, die in Harmonie mit der Persönlichkeit, mit den Zielen und den Körper-Proportionen geht.“

Also geht es um die Wiederholung, die erst die Harmonie schafft. Ich dachte, Wiederholung sei in der Mode immer langweilig…
Das sagen nur die Kreativen und Trendsetter, aber nicht die, die harmonisch gekleidet am besten ihren Charakter unterstreichen. Ich würde eher von einer Linie in der Garderobe sprechen, die in Harmonie mit der Persönlichkeit, mit den Zielen und mit den Körperproportionen tritt. Zu mir kommen Klienten, die sagen: ‚Frau Motsch, ich möchte „meinen“ Stil finden, immer passt irgendetwas in meiner Kleidung nicht zusammen. Bringen sie hier bitte Struktur rein.’ Ich hatte kürzlich einen Kunden, der stilistisch einen Anzug wie zur Konfirmation trug. Ein Top-Manager, aber stilvolle Kleidung war nie Thema für ihn. Dann hatte er ein Schlüsselerlebnis mit einem Lieferanten: Der Mann geht auf ihn zu, schaut ihn an – und mustert ihn von Kopf bis Fuß…

…eine Situation die wir alle sicherlich unangenehm finden…
Alle! Niemand will aufgrund seiner Kleidung abgewertet werden, auch er nicht. Daraufhin hat er mich engagiert.

Foto: Hannelore Kirchner

Wie gehen Sie nun bei der Stilberatung vor?
Ich schaue immer zuerst, wohin die Reise gehen soll. Das fängt schon mal damit an, wie viel Zeit der Klient für seine Garderobe aufwenden möchte und welcher Dresscode oder welches Image erforderlich ist. Dann schaue ich auf den Charakter: Ist er eher ein introvertierter oder extrovertierter Mensch? Der Ausdruck der Augen ist bei beiden unterschiedlich. Hier ein Beispiel: der Herr mit dem scharfkantigen Gesicht und dem Blick: Wer so fokussiert schaut, bei dem gehe ich klar auf Linie: Perfekt sitzendes Sakko mit einem exakt gefalteten Einstecktuch und kein saloppes mit lockerer Bauschfaltung.

Dresscode Herren Business
Diesem Herren würde Elisabeth Motsch zu einer anderen Garderobe raten: ein Einstecktuch mit gerader Faltung und eine Krawatte mit Streifen, die die Fokussiertheit des Herren und seine geraden Gesichtszüge betont. Foto: Unsplash, Gregory Hayes

Stilberater teilen die Menschen in vier Farbtypen und ungefähr vier Körpertypen ein (H-,Y-, I-, O-): Das mag eine Hilfe sein, aber viele sehen es auch als Einengung bei ihrer Kleidungswahl…
Das sagen aber nur die Philosophen und Kreativen. Die meisten Männer wiederum sind ganz froh, wenn sie solche Kategorien als Stütze haben. Und vor allem deutsche Männer lieben es effizient…

Da kommen wir gleich noch zu, was den deutschen Mann ausmacht…
… gern, aber lassen sich mich noch bei den Farbtypen etwas ergänzen: Wenn eine Farbberaterin den Typ Philosoph bei sich sitzen hat und ihn als Frühlingstyp einordnet, würde sie ihn total unglücklich machen. Viele Philosophen möchten gerne Schwarz tragen!

Dresscode Herren Business
Und diesem Herren würde sie eher zu einem Paisley-Muster raten. Das diagonale Krawatten-Muster wirkt zu geradlinig zum indischen Ausdruck mit den gewellten Haaren und dem sinnlichen Mund. Foto: Unsplash, Vimal Saxena

Dann sind die Farbtypen als Stütze eigentlich überflüssig…?
Keineswegs, aber man muss genau hinschauen: Welcher Charakteranteil überwiegt? Wenn ich zum Beispiel als Frau eine tiefe Stimme habe (macht die Stimme tiefer), kann ich kein Babyrosa tragen. Auch wenn ich farblich der Sommertyp bin. Eine tiefe Stimme wirkt maskuliner und Rosa ist die femininste Farbe. Dann sollte ich etwas kräftigere Farben wählen und Rosa meiden.

Kann ich denn umgekehrt als schüchterner Mann mal ein kräftiges Muster wählen?
Ein dominantes Muster drängt sich beim Introvertierten in den Vordergrund und das Gesicht tritt in den Hintergrund. Beim Extrovertierten hingegen gehen auffällige Muster und Gesicht aufgrund der Persönlichkeit (harmonisch) Hand in Hand.

Dresscode 2 für Herren im Business: Bist du eher introvertiert, vermeide ein dominantes Muster. Das drängt sich zu sehr in den Vordergrund und dein Gesicht tritt in den Hintergrund.

Heißt das, Trends gar nicht mehr aufzugreifen?
Absolut nicht. Achten Sie aber immer darauf, dass der Trend Sie nährt. Und wenn Sie eher der bodenständige Typ sind, dann brauchen wir überhaupt nicht über Trends sprechen – dann ist es eher wichtig, dass Sie Ihre Hausaufgaben mit der Basisgarderobe machen. [Anmerkung: Über die Basisgarderobe für Männer hier mein Blog-Beitrag]

Dresscode 3 für Herren im Business: Achte immer drauf, dass der Trend dich nährt. Wenn du eher der bodenständige Typ bist, fokussiere dich auf die Basis-Garderobe.

Wie entwickelt man(n) denn seinen Stil? Ist das eine lebenslange Aufgabe?
Stil-Kompetenz ist Arbeit – und die muss ich üben. Die meisten Männer möchten sich aber nicht mit Mode beschäftigen. Die möchten morgens in den Kleiderschrank greifen und einfach eine passende Basisgarderobe haben. Aber es gibt auch die Männer, die es lieben Shoppen zu gehen und gut angezogen zu sein. Dann gibt es drittens die Männer, die gut angezogen sein möchten – aber von ihrem Lieblingsverkäufer alles zusammenstellen lassen. Und dann gibt es noch viertens die Männer, die gut angezogen sein möchten, aber der Schuh letztlich nicht zum Gürtel passt. Und die kommen dann in meine Seminare und Coachings.

Ganz verschiedene Typen, die Sie da aufzählen. Ich sehe, man kann uns nicht alle über einen Kamm scheren. Trotzdem wird uns Deutschen immer wieder ein bestimmter Stil nachgesagt. Jetzt leben Sie in Salzburg und haben damit den Außenblick: Wie würden Sie unseren Stil beschreiben?
Sie sind jetzt aus dem weißen Socken- und Sandalen-Zeitalter raus. Auch sieht man keine Ballonseide mehr. Das haben die Deutschen hinter sich gelassen. Deutsche Männer mögen es pragmatisch. Fürs Business liebt er seinen schwarzen Anzug und sein weißes Hemd und glaubt, damit gut angezogen zu sein.

Dresscode 4 für Herren im Business: „Der schwarze Anzug ist für formelle Anlässe – der dunkle für den Berufsalltag.“

Was ist daran falsch?
Der Anlass! Ein schwarzer Anzug ist für formelle Anlässe – nicht für den Berufsalltag! Das hat sich leider beim deutschen, (ich muss gestehen, auch beim österreichischen Mann) noch nicht überall durchgesprochen.

Wie macht man(n) es besser?
Welche Farbe passt, kommt auf den Status und das Image des Unternehmens an: Eine Führungskraft braucht aus Statusgründen dunkle Anzüge – dunkelblau und anthrazit. Möchte jemand mehr Teamorientiertheit ausdrücken, ist der dunkelblaue Anzug mit weißem Hemd zu hart. Empfehlenswert sind mittlere Farbtöne wie mittelblau oder mittelgrau, diese Farben wirken nahbarer. Beachten Sie außerdem Ihre Haarfarbe: Dunkelhaarige sehen in hellen Anzügen nicht wirklich gut aus. Eine kräftige Krawatte würde das zwar ausgleichen, aber helle Anzüge wirken generell leicht und unscheinbar und verleihen keinen Status, sondern nur ein Sommerfest-Feeling.

Dresscode 5 für Herren im Business: „Der erste Eindruck zählt – und den machen wir mit unserer Kleidung!“

Die Krawatte ist in vielen Unternehmen so gut wie verschwunden. Besonders hier in Berlin. Gilt nicht schon längst: Alles kann, nichts muss (mehr)?
Berlin ist eine ganz eigene Stadt, eine der unbegrenzten Möglichkeiten. In Hamburg sieht das schon wieder anders aus, viel formeller und diskreter als Berlin. Und dann kommt es auch aufs Unternehmen und die Branche an: Will ich als Unternehmer einen Pitch gewinnen, drei Kandidaten stehen zur Auswahl und ich schludere mit meiner Kleidung – dann habe ich nachweislich schlechtere Karten. Der erste Eindruck zählt, und den machen wir mit unserer Kleidung! Übrigens, guter Stil ist bei Frauen ein Wettbewerbsvorteil: Wir lieben gut angezogene Männer! Es gilt also nach wie vor: Bringen Sie Ihre Wertschätzung durch Ihre Kleidung zum Ausdruck: Wer meinem Auge nicht gefällt, dem leihe ich nicht mein Ohr!

Vita Elisabeth Motsch:

  • Trainerin für deutsche und europäische Unternehmen, berufliche Stationen in London, Paris und Monte Carlo
  • Stil- und Image-Expertin für Führungskräfte und Mitarbeiter
  • Seminare und Vorträge
  • Buch-Autorin: Profil mit Stil – Persönlichkeit als Marke, Kleidung als Statement, 2015, Goldegg-Verlag sowie Karriere mit Stil, Trauner Verlag, 2014
  • motsch.at