Berlinern und Berlin-Besuchern lege ich sehr die Ausstellung „Fast Fashion – die Schattenseiten der Mode“ ans Herz: Sie läuft noch bis zum 2. August 2020 im Museum Europäischer Kulturen und ist wirklich sehenswert. Style Statements steht es gut, über die Auswirkungen des Mode-Konsums zu berichten: 10 Fakten, die du für deinen Mode-Einkauf wissen solltest. Wer sind die tatsächlichen Fashion-Victims?
Völlig übermüdet fällt eine Näherin an ihrem Arbeitsplatz in den Schlaf und lässt den Kopf auf einen Berg von Kleidungsstücken fallen, die sie gerade noch genäht hat. Erschöpft gleitet ein Schaf zu Boden, das von einem Arbeiter geschoren wird. Die Zunge hängt schlaff aus dem Mund, blutige Wunden am ganzen Körper von der rabiaten Arbeitsweise im Minutentakt. Und ein Fluss in Bangladesch nahe einer Fabrik hat sich pink gefärbt. Weiße Schaumkronen schwimmen auf dem Wasser und die Anwohner berichten, der Fluss wechsle quasi täglich seine Farbe – jeweils in der „Trendfarbe“, die gerade in den am Ufer liegenden Fabriken zu Kleidung vernäht wird. Drei Beispiele aus der Ausstellung „Fast Fashion – die Schattenseiten der Mode“ im Museum Europäischer Kulturen (MEK), die erschüttern. Ich habe mir die Ausstellung gleich am ersten Wochenende angeschaut. Mich hat sie sehr berührt und nachdenklich gestimmt, wie ich mit meinem Konsum am anderen Ende der Welt Leid auslöse.

Es ist das Dilemma, das gewiss viele von uns umtreibt: Mit einem gelegentlichen Schaufensterbummel oder dem Online-Shopping auf dem Sofa möchten wir uns für einen harten Arbeitstag belohnen, vom Stress ablenken und uns etwas Schönes gönnen. Doch dieses Verhalten schafft am anderen Ende der Welt so viele Probleme: Mangelnde Arbeitnehmer-Rechte, fehlender Tierschutz, Raubbau an der Umwelt. Ich habe schon einmal beschrieben, wie schwer es uns Menschen fällt, die Auswirkungen unseres Konsums zu begreifen. Die Almende-Tragik bringt es gut auf dem Punkt: In einer Welt der begrenzten Ressourcen verhalten wir Menschen uns weiterhin so, als ob es unendlich viele Kleidung in unserem Kleiderschrank geben könnte (wir alle wissen, dass das nicht hinhaut). Die Antwort auf diese Problematik findet ihr am Ende – gehen wir aber hier kurz auf die Knackpunkte ein. Und zwar in Form von 10 Fakten, die wir für unseren nächsten Einkaufsbummel wissen sollten. Alle Zahlen stammen aus der Ausstellung und dem Ausstellungsführer:
90 Prozent
unserer schnellen Kleidung wird in Billiglohnländern, überwiegend in Asien, produziert.

2 Wochen
dauert es bis ein Fast-Fashion-Entwurf in die Läden kommt. Fast Fashion ist ein massenhaft produziertes Modeprodukt, das nicht selten die Mode-Entwürfe der großen Marken dreist kopiert.
12 Kollektionen
pro Jahr kommen bei Fast-Fashion-Anbietern in die Regale. Sie locken damit beständig Kunden in den Laden.
20 Mal
besuchen manche Kunden in nur einem Jahr ein- und denselben Mode-Laden. Damit hat sich die Modebranche wie keine andere Konsumgüter-Branche so sehr vom tatsächlichen Verschleiß des Produkts entfernt. Vermeintlich günstige Angebote und neue Trends verlocken uns zum permanenten Geld ausgeben. Oder in den Worten von Claudia Banz, Kuratorin der Ausstellung: „Die Politik der niederen Preise appelliert an die unbewussten Instinkte im Menschen und deren Glückssehnsucht: Sie will bei den KundInnnen das Gefühl erzeugen, beim Einkaufen zu sparen und daher nicht wirklich zu konsumieren.“
Billige Angebote gaukeln uns eine Form von Verzicht vor, die lediglich dazu führt, dass wir noch mehr konsumieren. Ein Teufelskreis.
6 Länder
können an der Herstellung eines einzigen Kleidungsstücks beteiligt sein. Das Etikett gibt darüber mit seinem „Made in …“ keine adäquate Auskunft, da gesetzliche Regelungen fehlen. Die Wahrheit ist, dass viele Fast-Fashion-Kleidungsstücke mehrere Länder durchlaufen. Das Etikett folgt in der Regel in dem Land, wo zum Beispiel die Knöpfe angenäht werden.
40.000 Kilometer
kann eine Jeans im Laufe ihres Lebens zurücklegen: Die Niederländer machen das Design, in Uzbekistan wächst die Baumwolle, in Indien weben und spinnen Arbeiter diese, in China oder Indonesien färben Arbeiter sie ein, in Bangladesch nähen Arbeiterinnen die Hose zusammen, in der Türkei veredeln Arbeiter sie anschließend; dann kommt sie fertig weiter nach Deutschland, wo wir sie ein paar Saisons tragen und anschließend in den Altkleider-Container geben, worüber sie letztlich in Afrika landet, zum Beispiel in Sambia.

47 Cent
mehr verdient eine Näherin mit einem fair produzierten Kleidungsstück. Zum Vergleich: Ein Fast-Fashion-Kleidungsstück für 4,95 Euro bedeutet laut Ausstellung für die Näherin einen mageren Verdienst von 13 Cent! Ein Kleidungsstück aus fairer Herstellung hingegen 60 Cent! Und ein solches ist sogar schon für 19,90 Euro zu haben.
2.500 Liter
Wasser benötigt ein T-Shirt für einen Erwachsenen. Die Baumwollpflanze verschlingt in ihrer Wachstumsphase enorm viel Wasser und verlangt in der Erntezeit ein sehr trockenes Klima. Deshalb wächst sie meist in trockenen Gebieten und wird künstlich bewässert. Die Monokulturen belasten die Umwelt und sorgen zum Beispiel dafür, dass der Aralsee in Zentralasien beinahe ausgetrocknet ist. Es ist eine der größten, vom Menschen ausgelösten Umwelt-Katastrophen.
Vor diesem Hintergrund können wir mit unserem Konsum folglich nicht mehr nur unsere Individualität ausleben und Selbstverwirklichung suchen. Wir sind auch Teil eines größeren Ganzen und müssen unsere Verantwortung übernehmen. Ich möchte an dieser Stelle nicht nur negativ berichten und mit dem erhobenen Zeigefinger wedeln, sondern auch eine Perspektive für Optimismus bieten. Wichtig ist mir auch zu betonen, dass ich selbst keineswegs die perfekte Antwort gefunden habe. Hier folgen nun die möglichen Konsequenzen für einen verantwortungsvollen Konsum.
- Ein T-Shirt darf nicht so viel wie der Coffee to go kosten. Eine Jeans nicht so viel wie ein Kino-Ticket. Solche Preise bedeuten einfach zu viele Fashion Victims. Ich meide bereits solche Kleidungsstücke und werde dies künftig weiter tun.
- Ich lege wert auf hochwertige Produkte in meiner so genannten Basis-Garderobe: Das sind die Teile, die die Basis meiner Outfits bilden, sich vielseitig kombinieren lassen und zu vielen Anlässen passen. Die reichen bereits aus, um als Mann gut angezogen zu sein. Mehr dazu hier in meinem Blog-Beitrag über die Capsule Wardrobe.
- Ich habe meine Kleidung im Kleiderschrank nach Farben sortiert. Dieses Ordnungssystem hilft mir dabei zu erkennen; dass ich nicht wirklich noch ein x-tes T-Shirt im Rot-Ton brauche (die Schublade lässt sich kaum noch schließen). Auch schwarze und weiße Sachen habe ich mehr als genug. In meinem Smartphone führe ich eine Liste von Kleidungsstücken, die ich tatsächlich brauche. Gute Winterstiefel zum Beispiel. Oder eine schöne blaue Chinohose, die sich gleichermaßen für die Arbeit wie für die Freizeit eignet.
- Wenn ich einkaufe, achte ich auf umweltbewusste Materialien: Ein T-Shirt aus nachhaltiger Baumwolle kommt eher in den Warenkorb als ein Normales. Billige Polyester-Kleidung meide ich ganz. Mehr zur Problematik von Polyester hier in meinem gesonderten Blog-Beitrag.
- Fehlkäufe vermeiden: Dabei hilft die Frage im Kopf „Würde ich das Teil gleich heute Abend anziehen?“ und natürlich das Mode-Statement für mich des vergangenen Jahres von Moderedakteur Scott Omelianuk: „Wenn du dir nicht sicher bist, ob es dir steht oder nicht – dann steht es dir nicht.“
- Alte Kleidung aufbewahren: Es dauert lange, bis ich Kleidung wegschmeiße. Vorher kommt sie in einen Vakuum-Beutel, aus dem ich mit dem Staubsauger die Luft rauslasse, und dann unter das Bett. Zuweilen entdecke ich dort Teile, die ich tatsächlich noch mal anziehen möchte.
- Ich suche mir an jedem Wohnort immer einen guten Änderungsschneider. Hier in Berlin gibt es viele, die solide Handarbeit machen und das ein oder andere heiß geliebte Kleidungsstück tatsächlich retten. Teile aus Merinowolle zum Beispiel, in die sich auch die Motten verliebt haben. Oder arg strapazierte Hosen.
- Kleidung verschenken: Teile, die ich nicht mehr mag, versuche ich an gute Freunde zu verschenken. Kleidungsstücke, die mir zum Beispiel zu eng geworden sind.
- Kleidertauschpartys: Finde ich als Mann schwierig, da sich selten Männer in meiner Größe und mit meinem Sinn fürs modische Experimentieren finden. Falls jemand Interesse hat: Ich bin Konfektionsgröße 52 und mag gern Muster und Farben ;-).
- Ich kaufe Gebrauchtes: Taschen, Sonnenbrillen, Einstecktücher von teuren Marken – das alles kaufe ich gern auf eBay. Dann sind die Sachen auch günstiger als der Neupreis und kommen bei mir tatsächlich in liebevolle Hände.