Sie ist über 96 Jahre alt und hat ihr ganzes Leben dem Thema Stil gewidmet: die New Yorkerin Iris Apfel. Ihre neue Autobiografie „Accidental Icon“ zählt zu den besten Stil-Büchern, die ich je gelesen habe. Ich habe das Buch förmlich verschlungen! So viel Weisheit, so viel Wissen – let’s learn from a „geriatric starlet“.

Sie habe niemals erwartet, ein „fashion icon“ zu sein, schreibt Iris Apfel gleich zu Beginn ihrer Autobiografie. Das ist pures Understatement: Heute ist die New Yorker Dame auch in Europa einem breiten Publikum bekannt: Sei es in Werbespots für Automarken, auf Magazin-Covern oder als Star der wirklich sehenswerten Netflix-Dokumentation „Iris“ (für einen Emmy nominiert) über sie und ihren Mann Carl, den sie leider schon verloren hat. 68 Jahre waren beide verheiratet. 68 Jahre!

Iris Apfel hat ihr ganzes Leben dem Thema Stil gewidmet. Wohlgemerkt: Stil. Nicht Mode. Diese Unterscheidung ist der rote Faden für diesen Blog-Beitrag. Denn Iris Apfel ist über Umwegen zur Mode gekommen. Sie wurde in ihren jungen Jahren nicht als Mode-Redakteurin erfolgreich. Wollte sie auch nicht wirklich. Denn sie hat bereits damals durchschaut, wie Frauen in der Modewelt unterbezahlt und ausgenutzt werden.

„Ich erkannte früh, dass ich dort nirgendwo aufsteigen würde. 98 Prozent der Redakteurinnen waren zu alt, um schwanger zu werden – und zu jung, um in Rente zu gehen.“

Also entschied sie sich für ihren Mann Carl und für das berühmte Interieur- und Textil-Unternehmen „Old World Weavers“. Es war so erfolgreich, dass Iris Apfel sogar das Weiße Haus einrichtete. Mehr geht nicht in Amerika.

Styling-Tipps für Männer von Stil-Ikone Iris Apfel
Iris Apfel in ihrem New Yorker Apartment: Ausschnitt aus der Netflix-Doku IRIS, Foto: magnolia pictures

Iris absolute Leidenschaft für Stil und Stoffe

Ein Charakter wie Iris Apfel kann wohl nur in New York in Manhattan gedeihen: diese amerikanische Offenheit für Neues, diese Leidenschaft für Stil und Stoffe und gleichzeitig diese Weltgewandtheit – das alles vereint Apfel so beeindruckend in ihrer Person: „Meine Medizin sind ein Sinn für Humor, für Begeisterungsfähigkeit und Neugierde.“ Im Grunde ist sie so alt geworden, und dabei noch so klar bei Verstand, weil sie sich die kindliche Neugierde und Offenheit bewahrt hat. „Ich halte den selbst ernannten Rekord für den ältesten Teenager der Welt.“ So ist auch ihre Autobiografie angenehm heiter zu lesen; sprüht vor Anekdoten, Wortwitz, opulenten Bildern – und stets vor der Liebe für Farben und Stoffe. Iris Apfels Biografie als Bleiwüste – das ginge nicht. Erst die Bilder zeigen ihre beeindruckende Garderobe. Diese Vielfalt, diese Abwechslung, diese Farbenfreude und dieser Mut zum Mix!

Meine Medizin sind ein Sinn für Humor, für Begeisterungsfähigkeit und Neugierde.

Iris Apfel Accidental Icon
Buch-Cover Acccidental Icon. Foto: JO

Wie weltgewandt sie ist, zeigt sie in ihrem Stil: Von ihren vielen Reisen durch Europa hat sie nicht nur teure und tolle Stoffmuster mitgebracht, sondern auch jede Menge Fashion. Armreifen, Halsketten, lange Kleider. Hüte, Brillen, Brillen, Brillen. So viel, dass in ihrem New Yorker Apartment kaum noch Platz für anderes ist. Bis das Metropolitan Museum of Art 2005 kam und eine Ausstellung über ihre außergewöhnlichen Accessoires machte. Die Ausstellung wurde ein Sensationserfolg. Eine Kolumnistin der New York Times schrieb: „Bevor das Wort multiculturalism erfunden wurde, hat Mrs. Apfel es getragen.“

Damit beginnt der Erfolg von Iris Apfel und damit hören wir hier mit unserem Geschichts-Exkurs auf und kommen zu den Style-Lektionen, die Iris Apfel ihren Lesern mitgibt.

1. Geh mit der Masse, es ist viel einfacher. Aber auch langweilig.

Iris Apfel in Jeans
Foto: Jörg Oberwittler

Iris Apfel ist niemals mit der Masse geschwommen. Sie war eine der ersten Frauen in den USA, die Jeans getragen hat. Dazu ist sie in einen Jeansladen für Männer gegangen und hat den Besitzer bekniet, ihr ein Exemplar zu verkaufen. Zigmal hat er abgelehnt. Iris Apfel ließ nicht locker – und hatte am Ende eine Jeans in den Händen. Sie schreibt: „Ich folge einfach meinem Bauchgefühl. Wenn sich etwas spannend anhört, mache ich es – Sorgen mache ich mir später.“

Sie habe niemals versucht, irgendwo reinzupassen. Stattdessen habe sie früh gelernt, dass sie ihre eigene Persönlichkeit finden muss, um mit sich glücklich zu sein. Und dann sagt Sie diesen wunderschönen Satz:

Ich ziehe mich nicht an, um angeschaut zu werden – ich ziehe mich für mich selbst an. Ich finde der größte Fashion-Faux-Pas ist es, in den Spiegel zu schauen und jemand anderen zu sehen.

Tipp Nummer Eins: Folge deinem Bauchgefühl. Es weist dir den Weg beim Thema Style. Sei mutig, auch mal neue Pfade zu gehen – auch wenn dies bedeutet, gegen die Masse zu schwimmen.

Neulich erzählte mir ein Freund, dass er gern auch mal in der Damen-Abteilung nach Klamotten schaut; einen übergroßen Schal oder eine lange Schal-Strickjacke hat er zum Beispiel dort gekauft. Genau die hatte er gesucht, in den Herrenabteilungen nie erblickt – und war bei den Frauen sofort fündig geworden. Genau das ist Iris Apfel. Warum sind so viele Frauen in der Herrenabteilung – aber die Männer machen um die Frauenabteilungen einen riesigen Bogen, obwohl viele Accessoires dort unisex sind?

2. Einer geht noch – zu viel gibt es nicht

Wenn du das Haus verlässt, schau noch mal in den Spiegel und lege ein Teil ab, hat Coco Chanel als Style-Tipp mit auf den Weg gegeben (hier mehr gute Styling-Tipps). Iris Apfel macht genau das Gegenteil. Ihre Outfits sind überladen: zu viel Schmuck, zu behangen, zu groß die Ketten und erdrückend die Armreifen für diese dünnen Arme. Ihre große Liebe für Kleidung sieht man stets. Und doch geht Iris Apfel nicht unter, ihre starke Persönlichkeit schimmert durch. Der Schmuck stiehlt den funkelnden Augen nicht die Show.

Styling-Tipp Nummer Zwei: Wenn ein Style-Statement – dann ein kraftvolles. Nutze als Mann auch die Accessoires hierfür, liebe das Ausladende und die Opulenz.

More is more – Less is a bore.

3. Investiere in Qualität – und kaufe am Saison-Ende

Es gibt die Gnade der Geburt: diejenigen, die ihre Eigentumswohnung in Prenzlauer Berg für einen Appel und ein Ei kauften, als der Stadtteil noch unter Milieu-Schutz stand – diejenigen, die in den 1950ern oder 1960ern große Designer zum Spotpreis erstanden, weil diese noch unbekannt waren. Iris Apfel hat keine Wohnung in Prenzlauer Berg – aber jede Menge Couture-Stücke zur richtigen Zeit in Paris geshoppt: Dior, Lanvin …

Styling-Tipp Nummer Drei: Baue deine Garderobe langsam auf. Lass dir Zeit fürs Bummeln oder wie es Picasso mal schön formulierte: „Ich suche nicht, ich finde.“ Kaufe auch am Ende der Saison und frage nach Preisnachlässen. Nichts anderes hat Iris Apfel direkt bei den Designern gemacht.

Styling-Tipp Nummer Vier hinterher: Lege das Labeling ab. Iris Apfel hat gekauft, was ihr gefällt. Egal ob eine Marke drauf stand oder ein Armband fünf Dollar gekostet hat, „dann sogar umso besser.“ Die besten Stücke habe sie auf europäischen Flohmärkten gefunden. Also Männer, stöbert auch mal auf Flohmärkten und in Second-Hand-Läden. Mein Tipp: auch auf eBay kann man(n) wunderbar Designer-Ware aus den 1950ern oder 1960ern finden. Ich habe hier zum Beispiel einmal sehr schöne Christian-Dior-Manschettenknöpfe zum Spottpreis ersteigert.

Und weil es Iris Apfel an dieser Stelle auch betont: Tipp Nummer Fünf: Kauf die Sachen, um sie zu tragen – nicht um sie zu horten. Es ist immer wieder schade, wie viele teure Kleidungsstücke im Schrank hängen bleiben, weil man sie nicht schmutzig machen und abnutzen will. Meine teuerste Tasche benutze ich so selten, dass sich der Preis kaum rentiert. Ich habe immer Angst, dass sie verschrammt…

4. Liebe deine Kleidung wie Iris Apfel es tut

Iris Apfels Look sieht aus, wie aus der Zeit gefallen. Er ist schwer einordbar, weil er so anders ist. Das Multi-Kulti-Element, die Ethno-Mode macht ihren Style im Grunde zeitlos. So hat sie den Luxus bis heute Kleidungsstücke und Accessoires zu tragen, die sie vor Jahrzehnten gekauft hat. Wo gibt es das heutzutage noch in unserer Fast-Fashion-Welt?! Sogar Stars sagen, ein Outfit sei einmal getragen, abgelichtet und veröffentlicht förmlich „verbrannt“. Was für eine Verschwendung!

Styling-Tipp Nummer Sechs: Liebe deine Kleidung: pflege sie, bewahre sie gut auf und trage sie mit Stolz auch noch Jahre später.

Iris Apfel Garderobe
Faible für Ethno-Mode und -Accessoires: viele Kleider hat Iris Apfel bis heute aufbewahrt Foto: JO

5. Unterschätze die Macht der Kleidung nicht

Wissenschaftler haben bewiesen: Unsere Kleidung spielt auch auf unser Befinden zurück. Wer sich im Spiegel anlächelt, steigert die eigene Laune – wer sich für die Arbeit schick anzieht, wird tatsächlich erfolgreicher. Den Erfolg von Kleidung habe ich in einem Artikel für Spiegel Online aufgeschrieben. Das hat auch Iris Apfel erkannt und setzt sogar noch eins drauf, was uns zu Styling-Tipp Nummer Sieben führt: „Wenn du dich nicht wie jedermann anziehst – dann musst du auch nicht wie jedermann denken.“ Was für ein Plädoyer für Andersartigkeit und für Vielfalt!

6. Brich dein Outfit à la Iris Apfel

Iris Apfel hasst „matchy-matchy“. Ihr Styling-Tipp ist, sich nicht zu perfekt zu kleiden. Anders als Mode könne man Stil nicht kaufen: Man habe ihn oder nicht. Das ist das strenge Urteil einer Stil-Ikone, doch natürlich kann man Stil auch zum gewissen Teil lernen. Man kann Styling-Tipps beherzigen – und mit ihnen gut fahren. Wenn man(n) diese kennt, kann man sie später auch brechen. Das soll aber lieber Stil-Ikonen vorbehalten bleiben.

Styling-Tipp Nummer Acht: Sei nicht immer matchy-matchy. Breche Looks auf und überrasche mit Accessoires. Mische Markenkleidung mit Flohmarkt-Schnäppchen, Reise-Souvenirs mit hiesiger Mode, Saisonware mit guten Klassikern, Anzug-Elemente mit Street Wear, Muster mit Muster…

7. Die Kraft der Accessoires; Iris Apfel macht’s vor

Bei Accessoires haben Frauen gewiss die größere Auswahl – aber auch Männer können aus dem Vollen schöpfen: Hüte, Mützen, Schals, Halsketten, Fliegen, Krawatten, Einstecktücher, Armreifen, Manschettenknöpfe, Ringe, Gürtel, Schuhe.

Styling-Tipp Nummer Neun: Nutze Accessoires für spannende Outfits. Ein klassisches Hemd kombiniert mit guten Accessoires ermöglicht viele neue Looks.

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8. Riskiere auch mal daneben zu liegen

Es gibt sie, diese Outfits für die man sich Jahre später schämt. Wie konnte ich nur? Das sieht so verboten aus! Und doch, ist es richtig, nicht immer auf Nummer Sicher zu gehen, sondern im Style auch etwas zu wagen.

Styling-Tipp Nummer Zehn: Wer ein Statement macht, darf sich auch mal versprechen. Oder wie es Iris Apfel schöner sagt: „Wenn du nichts riskierst, lebst du auch nicht. Das einzige Versagen ist, es nicht zu versuchen.“

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