Alljährlich eröffnet das Label „Ivanman“ die Berlin Fashion Week. Wer ist der Designer Ivan Mandzukic, der mit einer fulminanten wie farbenfrohen Männermode-Kollektion stets die Woche beginnt und so mit Schock und Schönheit spielt? Und das ausschließlich mit Männermode! Ein Atelierbesuch, der gleich mit einer Warnung beginnt.
„Auf der Türschwelle gibt man sich nicht die Hand“, sagt Ivan Mandzukic, lacht und zitiert ein polnisches Sprichwort. Dann bittet er freundlich in sein Atelier in Berlin-Kreuzberg direkt an der Spree. Da geben wir uns die Hand. Wo früher das „Kiki Blofeld“ ins Bootshaus lockte und heute moderne Appartement-Häuser den Spreeblick verdecken, arbeitet er im vierten Stock mit einem beeindruckenden Blick über Berlin.

„Pfefferminz-Tee oder Ingwer?“, fragt der gebürtige Serbe – Jahrgang 1983 – und verschwindet in der Küche. An diesem Freitag ist er zur Überraschung allein in seinem Atelier. Ein ruhiger, freundlicher Mann, mit warmen braunen Augen und perfekten Manieren als Gastgeber. Während der Wasserkocher brodelt, gleitet der Blick über volle Bücherregale, riesige Computerbildschirme und viele Kleiderstangen mit sehr bunten Kleidungsstücken. Sehr, sehr bunten Kleidungsstücken. Fast könnte man meinen, Ivan Mandzukic macht Frauenmode; so knallig kommt seine neue Männerkollektion Winter 2018/19 daher: farbenfroh, klare Linien, minimalistische Silhouetten und geometrische Details. Sein Markenzeichen: Color-Blocking und Layering-Looks – so beschreiben Modejournalisten seine Kollektionen.
Ich bin froh, dass ich in dieser farbigen Richtung geblieben bin. Damit verkaufe ich gut.
Als „leuchtend“ beschreibt er selbst seine Mode. „Aber minimalistisch – nein. Ich bin froh, dass ich in dieser farbigen Richtung geblieben bin.“ Damit verkaufe er gut, berichtet er. Vor allem an Südkoreaner, die in der Mode experimentierfreudiger als ihre deutschen Geschlechtsgenossen seien. Das Spiel mit Farben ist Ivan Mandzukic wichtig, genauso wie die architektonischen Anklänge, die sich mit seiner Biografie erklären lassen: 2004 ist er nach Deutschland gekommen und hat zunächst in Aachen Architektur studiert. Das Bauhaus als Architekturrichtung mag er sehr. Als Kind hat ihn der Krieg geprägt; Soldaten in Uniform, Bombardements der Stadt – „ich war mittendrin“, sagt er und löst mit solchen Erinnerungen Gänsehaut aus.
Ivanman-Männer wie Putzfrauen auf dem Laufsteg
Die Anspielungen auf Uniformen, die Erinnerungen an seine Heimat – sie sind bis heute in seinen Kollektionen ein zentrales Sujet. Ein Changieren zwischen Trauma und Nostalgie, zwischen Schock und Schönheit, das er im wahrsten Sinne des Wortes hier „verarbeitet“. Die „Putzfrau“ sei die Inspiration für seine Wintermode-Kollektion gewesen, sagt er und lacht spitzbübisch über sein Vorhaben, gestandene Männer wie Reinigungsfachkräfte aus Osteuropa über den Laufsteg zu schicken.

Die Anwandlungen an Putzlappen, Feudel und Kopftuch halten sich glücklicherweise in Grenzen. Ivan Mandzukic findet eher Gefallen daran, florale Muster hier und da an den Ärmeln oder im Innenfutter aufpoppen zu lassen – immer aber dem Träger die Freiheit zu geben, diese zu zeigen oder zu verbergen. Nicht minimalistisch sei seine Mode, sondern vielmehr tragbar.

Definitiv ist sie eine Hommage an Farben- und Lebensfreude: knallgelbe Riesen-Shopper-Taschen aus Lack, Stoffhosen in Froschgrün, Häkel-Pullover im Patchwork-Folklore-Stil – eine Winterkollektion, in der mann sich auch mit einem einzelnen Stück gewiss von der grau-schwarzen Menge abhebt. Ein figurbetonter Trenchcoat oder eine kurz geschnittene Jacke sind ein kluger Kauf, von dem mann auch über die Saison hinaus noch etwas haben wird.
Wie es kommt, dass er mit einer Männermoden-Kollektion die sonst eher durch die Frauenmode definierte Berlin Fashion Week eröffnet? Er zuckt mit den Schultern: „Es spielt doch zunehmend keine Rolle mehr, ob man Mens- oder Womenswear macht. Die Mode definiert sich anders, beide Kollektionen werden mehr und mehr zusammengelegt. Auch aus Kostengründen.“ Die Krise der Mode bringt beides zusammen. Welch Ironie!
Farben sind da, um uns froh zu machen – und um zu experimentieren.
Die Resonanz auf seine „Putzfrauen“-Kollektion war gut. Weniger Designer haben gezeigt als sonst, ergo fiel die Kollektion mehr auf. Doch die internationale Presse macht sich zunehmend in Berlin rar. Eine Kritik auch an die Organisatoren. „Berlin fehlt der Stolz. Ich merke immer wieder, dass die Menschen im Ausland begeisterter von Berlin sind als die Berliner selbst.“ Die Berliner Modeszene zerlegt sich in Kritik – und steht sich damit selbst im Wege. Viele Modemessen laufen parallel; und doch aneinander vorbei.

Von Anfang an macht Ivan Mandzukic ausschließlich Männermode. „Ich sehe bei Männern viel mehr Freiraum meine Mode zu entwickeln als bei Frauen.“ Gern verbindet er das „Klassisch-Spießige“ der Männermode mit Elementen der Frauenmode. Die Farbe Pink zum Beispiel, die er selbst überhaupt nicht mag, spielt wiederkehrend eine große Rolle: „Ich verwende sie trotzdem, denn Farben sind da, um uns froh zu machen – und um zu experimentieren.“ Er mag den Schockmoment, „dieses Changieren zwischen Schön und Hässlich. Mal gelbe Gummihandschuhe und roter Lackleder-Shopper – mal komplett schwarze Outfits und schlichte Stoffhosen.
Style dich nicht, um bloß aufzufallen – style dich vielmehr, um mit den Details zu überraschen
Ein gutes Outfit muss für ihn nicht automatisch schreien: „Style dich nicht, um bloß aufzufallen – style dich vielmehr, um mit den Details zu überraschen.“ Trends dürfe man(n) durchaus mal verpassen, doch es wundert ihn nach all den Jahren in Deutschland, wie modemuffelig die Männer hierzulande sind: „Ich verkaufe auch in Slowenien. Ein Land mit zwei Millionen Einwohnern. Und da verkaufe ich mehr als in Deutschland mit seinen 82 Millionen!“ Das sage doch viel über die Deutschen und ihre Begeisterung für Mode aus. Seine Erklärung: „Die Slowenen sind näher am Mode-Land Italien, die Deutschen hingegen übersättigt mit Billig-Mode.“
Trotzdem hat Ivanman Erfolg. Kann sich in Berlin halten. Dieses große Atelier und eine Hand voll Mitarbeiter bezahlen. „Recht blauäugig“ habe er sein Label nach dem Modestudium an der ESMOD 2010 gegründet. Die gute Presse habe ihn motiviert weiterzumachen. „Diese Haltung liegt wohl bei mir in der Familie: Etwas zu gestalten, den Mut selbständig etwas zu machen und diesen Weg dann weiter zu gehen, haben mir meine Eltern nach Kriegsende vorgelebt.“ Eine ganze Region stand in Trümmern, ein politisches System war zerstört – was blieb den Menschen anderes übrig?
Jetzt zum Sommer ist die New Yorker Börse seine Inspiration gewesen. Seine Ideen holt er sich von der Straße. Wenn ein Mann in einem komplett grünen Outfit vor ihm über die Straße geht, kann schon die nächste Kollektion in diesem Moment geboren sein. Im Sommer sind dies Krawatten, Sakkos; Spießigkeit in einer knallbunten Farbpallette, angeführt von einem Stahlblau. New Yorker Broker sind in einen Farbtopf gefallen, bunte Fäden wie Aufladekabel baumeln seitlich aus Manteltaschen heraus und blaue Westen sehen aus wie Polizisten-Westen als Schutz vor einen Anschlag auf die New Yorker Börse.
Berlin stresst und inspiriert
Fast scheint es, dass auch Berlin zwischen Schön und Schock für ihn hin- und herflimmert. „Ich gebe zu, dass mich Berlin eher stresst als inspiriert.“ Mal stresst, mal inspiriert, mal Heimat bietet, mal Kraft raubt, mal Vielfalt offeriert, Freiheit ermöglicht, mal mit seinen vielen Menschen einengt. „Das kann keine andere Stadt so wie Berlin. Das merke ich jedes Mal erneut, wenn ich nach Berlin zurückkomme.“

Wer seine Mode kaufen will, muss nicht 1.000 Euro für einen Mantel von seinem Girokonto abbuchen lassen. „Es ist mir wichtig, dass meine Mode bezahlbar bleibt.“ Maximal 800 Euro soll ein Ivanman-Mantel kosten. Kaufen kann man Ivanman zum Beispiel bei Vektor in Berlin-Mitte in der Gormannstraße.
Der Tee auf dem Tisch dampft – längst vergessen – seinem Ende gegen. Auch die Krise der Mode?, das ist die viel spannendere Frage zum Schluss des Gesprächs? „Die Modekrise ist eine weltweite Krise“, sagt Ivan Mandzukic. „Aber das ist gut, denn dadurch wird sich schon bald etwas ändern. Das ist mein Optimismus.“ Da ist er sicher. Und da ist es wieder dieses leicht spitzbübische Lächeln vom Anfang, das unseren Besuch abschließt.
Lese auch meinen Atelierbesuch bei Sissi Goetze: „So fucking German“. Und wenn du Farbe magst, gefällt dir bestimmt mein Blogpost 7 Styles, die du von Gucci lernen kannst.