Männermode Berlin Style Berater
Unterwegs mit Steven Mills, Personal Shopper. Foto: Jörg Oberwittler

Männer-Mode gewinnt an Bedeutung. Vor allem Berlin entwickelt sich zum Hotspot für Herrenbekleidung. Hier entstehen Trends, hier tummeln sich junge Designer und Mode-Start-ups. Style Statements im Gespräch mit Personal Shoppern, im ersten Second-Hand-Laden speziell für Männer und über den Zukunftstrend des „Curated Shoppings“.

Wer mit dem Personal Shopper Steven Mills zum Shoppen durch Berlin-Mitte aufbricht, taucht in eine völlig neue Welt ein. Der gebürtige New Yorker kennt Läden, an denen selbst Berliner jahrelang unbeachtet vorbei gefahren sind. Er kennt die Verkäufer, er kennt die Trends. Und er kann seinen Klienten gleich im Anschluss den passenden Schuhladen und Frisör empfehlen. Kein Wunder, dass so mancher Berliner oder Tourist sich diesen Service das kosten lässt, was andere für einen ganzen Anzug von der Stange ausgeben.

„Für Männermode ist Berlin die perfekte Stadt.“ Personal Shopper Steven Mills

Der 53-Jährige begleitet gut betuchte Touristen, die auf einen Schlag sieben Anzüge kaufen. Aber auch Berliner Geschäftsmänner, die sich einfach beruflich verändern wollen und hierfür das passende Outfit benötigen. Zum Beispiel den Leiter einer Abteilung, der durch einen Karrieresprung plötzlich zwanzig statt fünf Angestellte unter sich hatte und mit dem Wunsch kam, moderner, jugendlicher und stärker in seiner Kleidung zu wirken. „Auf jeden Fall sind Männer in den letzten Jahren modebewusster geworden. Und für Männermode ist Berlin die perfekte Stadt“, meint der US-Amerikaner. Berlin sei urban, vielfältig, keine „Weiße-Hemden-mit-Anzug“-Stadt wie Düsseldorf oder Hamburg. Hier laufen Modeblogger, Hipster und Kreative über die Straße, die alle ihren eigenen Style kreiieren.

„Aber auch Männer jenseits der Vierzig werden modebewusster“, ergänzt der Fashion-Experte, der für große Modehäuser wie Gucci und Hugo Boss sowie für Events wie die Berlinale als Styling-Berater arbeitet. Auch Geschäftsmänner würden zunehmend mehr nach ihrem Äußeren beurteilt werden. Welchen Anzug trägt er? Sehen Haare und Haut gepflegt aus? So mancher Manager wirkt stark und erfolgreich, weil er die passende Fitness und Urlaubsbräune vorweist.

Das freut die Modebranche, die besonders in der Männermode überdurchschnittliche Wachstumszahlen verzeichnet. Die globalen Umsätze für Herrenbekleidung sind in den letzten Jahren kräftig gewachsen, informiert das Marktforschungsinstitut Euromonitor: von 15,6 Milliarden Euro (2009) auf 17 Milliarden Euro (2014). Der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels bestätigt, dass auch hierzulande der Bereich Herrenbekleidung stärker wächst als der Bereich der Damenbekleidung. Ein Markt mit attraktivem Wachstumspotenzial.

Second-Hand-Laden speziell für Männer

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Inga Birkenfeld hat Berlins ersten Second-Hand-Laden speziell für Männermode eröffnet. Foto: Jörg Oberwittler

Weiter geht’s von Berlin-Mitte nach Prenzlauer Berg, wo Inga Birkenfeld in der Stargarder Straße zwischen Kindereisdiele und Modegeschäften für Mütter Berlins ersten Second-Hand-Laden speziell für Männer eröffnet hat: Dear. Für Frauen gibt es ebenfalls ein paar ausgewählte Stücke. Bereits eine halbe Stunde nach Ladenöffnung schauen sich die ersten Kunden in dem liebevoll eingerichteten Laden mit Altbau-Stuck, Holzboden und aufwändigen Accessoires um. Die 36-Jährige offeriert Sakkos, Lederjacken und Strickwaren aus zweiter Hand – darunter auch große Marken wie Marc Jacobs, Dior und Acne Studios. Alles bei Freunden und Arbeitskollegen zusammengetragen und nach eigenem Geschmack zusammengestellt. Manches ungetragen, alles durchaus alltagstauglich.

Auf einer Puppe hängt ein Dior-Mantel, der einst zu DM-Zeiten 3.000 DM gekostet hat und nun für 600 Euro auch für Otto-Normal-Verdiener erschwinglich wird. „Vor zwei Jahren hätte ich den Laden nicht mit dieser Zuversicht eröffnet“, sagt Inga Birkenfeld, die sonst als Schauspielerin für Film und Fernsehen arbeitet. Eröffnet hat sie im September 2014, „das Geschäft läuft gut. Ich habe Kunden jeder Altersgruppe, nicht nur junge. Insgesamt merke ich aber doch, dass Frauen aufgeschlossener gegenüber Second-Hand-Ware sind und mehr stöbern. Manchmal kommen sie erst alleine und kehren dann eine halbe Stunde später mit ihren Männern zurück.“

Ganze Outfits für Style-Bewusste mit wenig Zeit

Doch längst müssen sich Männer nicht mehr von ihren Frauen ausstatten lassen. Weiter südlich in der Torstraße in Berlin-Mitte lautet der Shopping-Trend der Zukunft „Curated Shopping“. Im Fitting-Room des Berliner Start-up-Unternehmens Modomoto stellen die Mitarbeiter ganze Outfits für Männer zusammen, die zwar Style-Bewusstsein, aber wenig Lust am Shoppen haben. Hier kommen Männer einmal vorbei, beantworten Fragen zu ihrem Modegeschmack, ihren Lieblingsmarken und Budget-Vorstellungen – und bekommen auf Wunsch künftig ganze Outfits nach Hause geliefert. Von den Schuhen bis zum passenden Schaltuch. Alternativ lassen sich die entscheidenden Fragen auch online beantworten.

Modomoto war 2011 das erste „Curated Shopping“-Unternehmen in Deutschland, 2012 kam die Outfittery, ebenfalls in Berlin. Bald will auch der Mode-Online-Riese Zalando auf den Zug des boomenden „Shoppen lassen“ aufspringen. Modomoto-Geschäftsführer Andreas Fischer nennt als Umsatz einen „zweistelligen Millionenbereich“. Bei den Kundenzahlen wird er konkreter: „Waren es im Dezember 2012 zu unserem ersten Geburtstag circa 10.000 Kunden, die auf Modomoto setzten, sind es mittlerweile über 200.000.“

Die Geschäftsidee sei auf Initiative seiner Mitgründerin Corinna Powalla entstanden. Deren Freund habe damals keine Lust gehabt, in Kaufhäusern Schlange an Umkleidekabinen zu stehen oder sich durch die Angebote der Online-Shops zu klicken. „Also nahm Corinna ihrem Freund das Shoppen ab, suchte Kleidung für ihn aus und kombinierte sie zu Outfits. Mit jedem Einkauf lernte sie den Geschmack und die Vorlieben ihres Freundes besser kennen und wurde treffsicherer.“
So war die Idee zu Modomoto geboren.

Mittlerweile sieht Andreas Fischer das Wachstumspotenzial für das Marktsegment sogar größer als beispielsweise in den USA, die sonst Europa in vielen Entwicklungen voraus sind. Er zeigt sich zuversichtlich, dass sich Curated Shopping als dritte Säule neben dem Einzelhandel und E-Commerce etablieren wird. Berlin sei hierfür als Standort eine besonders tolle Stadt. „Hier pulsiert das Leben, hier ist Mode zu Hause, hier werden neue Ideen entwickelt, hier wird auch mal unkonventioneller gedacht.“ Der Nährboden für Neues – er ist für Andreas Fischer einfach in Berlin am besten. „Damit gibt es für mich keine andere Stadt, aus der Modomoto kommen könnte.“

Anmerkung: Dieser Artikel erschien zuerst im Mai 2015 auf Berliner Akzente.de, Stadt & Szene, Online-Kundenmagazin der Berliner Sparkasse.