Sissi Goetze ist eine der wenigen Mode-Designerinnen in Berlin, die ausschließlich Männermode macht. Warum eine Frau Männer in Mode steckt, wie Männer Mode anders kaufen und wie sehr die raue Großstadt ihre Mode prägt – ein Atelier-Besuch.

„You are so fucking German“, hat ihr eine Mode-Professorin an der renommierten Londoner Central Saint Martins Modeschule einmal entgegen geschallt. Die Schule gilt als eine der härtesten weltweit. Und das sei noch das Netteste aus dem Mund der Professorin gewesen, erinnert sich Sissi Goetze – Jahrgang 1981 – an ihr Modedesign-Studium. Heute kann sie darüber nur leise lächeln. Dann schiebt sie überraschenderweise hinterher: „Es war die beste Zeit meines Lebens.“

Obwohl das Prinzip der Modeschule gewesen sei, die Schüler komplett zu brechen, quasi zum Neuanfang zu zwingen – „damit du dann das machst, was du am besten kannst.“ Bei Sissi Goetze ist das Männermode. Frauenmode könne ja jeder, sagt sie in früheren Interviews. Flüchtige Trends und schnelle Mode sind nicht ihr Ding. Jede Kollektion baut behutsam auf der vorherigen auf. Sissi Goetze setzt auf schlichte Klassiker: Hosen, Hemden, Mäntel. Dezente Farben, weite Beine, überschnittene Schultern. Und auf Qualität. „Ein gutes Hemd kann einfach nicht 25 Euro kosten – ich hoffe, dass die Deutschen von dieser Fast-Fashion-Mode weg und zurück zum Handwerk finden.“

„Männer tragen nie etwas Unbequemes und würden sich wie Frauen darin durch den Abend quälen.“

Zweite Überraschung im Gespräch: Ausgerechnet die Japaner zählen zu ihren besten Kunden. Die japanischen Männer schätzen die Qualität und den Stil ihrer Kleidungsstücke – und sind bereit für ein Hemd einen dreistelligen Betrag auszugeben, wenn dieses über Jahre ein treuer Begleiter bleibt. „Klassiker werden nie alt. Die hat man auch in zehn Jahren noch und dann rentiert sich auch der Preis.“

Nadelstreifen Hemd Sissi Goetze
Sissi Goetze zeigt die liebevolle Verarbeitung ihrer Hemden. Foto: JO

Männer kaufen zudem Mode anders als Frauen: „Sie tragen gern immer wieder dasselbe, wenn sie damit zufrieden sind. Männer tragen außerdem nie etwas Unbequemes und würden sich wie Frauen darin durch den Abend quälen.“

Sissi Goetze springt plötzlich auf

Im Gespräch ist Sissi Goetze sofort per Du, manchmal springt sie von ihrem Sessel an den großen Fenstern auf, greift in eine der Kleiderstangen und schlüpft selbst in ihre Mäntel hinein, um ihre besonderen Schnitte zu demonstrieren. Die „Goetze-Schulter“ zum Beispiel, die herabfällt. Oder die Knopfleiste, die auf den Millimeter genau vernäht ist. Kritiker bemängeln die Schlichtheit und Einfachheit ihrer Kollektionen und, dass sie diese nur minimal weiterentwickelt. Auch diese Kritik lächelt Sissi Goetze weg. Das sei doch ein Kompliment. Ebenfalls „fucking German“ zu sein.

Deutsche Mode – das ist für sie eine schlichte Mode, mit guter Qualität und dieser Geradlinigkeit, die Deutschen gern zugeschrieben wird. Beinahe eine Ironie, dass es dann weniger die deutschen Männer, sondern mehr die Asiaten sind, die ihre Mode goutieren. Das fängt bereits bei den Einkäufern an, weshalb Sissi Goetze sich auch von der Berliner Fashion-Week zurückgezogen hat und vorrangig auf der Pitti Uomo in Florenz und in Paris präsentiert.

Hip-Hop, Bauhaus und Graffiti prägen ihre Mode

Im Gespräch wirkt sie unprätentiös, locker, kumpelhaft. Sie habe viel mit Jungs in ihrer Kindheit in München „abgehangen“, erzählt sie. Hip-Hop-Szene, Graffiti-Sprayer. Berliner. Die Stadt und ihre Einflüsse waren sogar in ihrer Münchner Jugend bereits präsent. Geboren und aufgewachsen ist sie in Dresden in einem Künstler-Haushalt. Die Eltern sind von dem Unrechts-Regime der DDR in den Westen geflohen.

Sissi Goetze Männertorso
Die breiten Schultern und schmale Taille von Männern faszinieren Sissi Goetze. Foto: JO

In München hat Sissi Goetze dann begonnen, sich stark für die US-amerikanische Popkultur zu interessieren. Vor allem die Hollywood-Filme der 1980er haben sie stark inspiriert. An ihrem Moodboard hängen alte Fotos von „Axel Foley“ aus „Beverly-Hills-Cop“ sowie von „Rocky Balboa“. An Männern reizt sie „die klassische Silhouette mit schmaler Taille und breiten Schultern“. Es sind weniger die Schulterpolster der 1980er, die sie spannend findet, sondern mehr die einfachen Schnitte und Stoffe, die ihrem Träger nicht die Show stehlen, sondern die Persönlichkeit unterstreichen. Individualität ist ein ganz zentrales Wort in Sissi Goetzes Mode. Sie mag keine allgemeingültigen Styling-Regeln.

Für das Studium habe es dann nahe gelegen, in die Hauptstadt zu ziehen, sagt sie. Sissi Goetze studierte an der HTW Modedesign, der Master folgte in London. Berlin liebt sie für seine Vielfalt, seine Rauheit. Das Berliner Bauhaus hat es ihr angetan. Und in welcher anderen Metropole könnte man auch quasi vis-a-vis zum Rathaus als vergleichsweise junge Modedesignerin ein Atelier haben? Im ehemaligen Telekom-Gebäude der DDR hat sie ihr Kreativzentrum – geschneidert wird ihre Mode im Nachbarland Polen. Und getragen dann in Japan. „Du musst als deutscher Designer halt erst mal im Ausland erfolgreich werden.“ Ein Satz, der nach dem Gespräch noch nachhallt.

 

Atelier Sissi Goetze
Work in progress: Im ehemaligen Telekommunikationsgebäude der DDR hat Sissi Goetze ihr Atelier.

 

Sissi Goetzes Mode kann mann kaufen auf: http://goetze.xyz/ Ebenfalls gibt es im Online-Shop den passenden Herrenduft Goetze.
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 Foto-Credit für die Kollektion: Bastian Achard

Hier ein Video von Sissi Goetze; zwar etwas älter, aber mit schönen Bewegtbildern und einem Interview mit ihr.