Welche Farben passen zueinander? Wie wirken Farben miteinander? Viele Designer lassen sich bei diesen Fragen von Malern und Museen inspirieren. Auch ich stöbere gern durch Museen und entdecke immer wieder beeindruckende Farb-Kombinationen, die ich so noch gar nicht auf dem Schirm hatte. Hier zeige ich euch meine Inspirationen.

Kim Jones hat es für seine Dior-Men- Winterkollektion 20/21 getan. Der frühere Dior-Chef-Designer Raf Simons tat es vor ihm ebenfalls. Und Yves Saint-Laurent ließ sich lange vor beiden von der gemalten Kunst für seine Mode inspirieren und schickte ein Model im Stile eines Gemäldes von Piet Mondrian über den Laufsteg. Das knielange Kleid gilt heute als Klassiker der Mode. Auch wir Männer können uns von der Farbkomposition des Malers ein Outfit abschauen:

Outfit-Tipps Männer
Hier habe ich 2019 die Grundfarben nach dem Bild von Mondrian getragen. Fotos: Esteve Parareda und JO im Museum Ludwig in Köln.

Piet Mondrian malte die Primärfarben Rot, Gelb und Blau in Rechtecken. Es sind die Farben, aus denen sich alle anderen Farben zusammensetzen. Zusätzlich rahmte der niederländische Maler der Moderne die farbigen Rechtecke mit verschiedenen grauen und weißen Rechtecken ein, was der gezielten Farbe im Bild zusätzliche Wirkung verlieh.

Ein Styling-Trick, den auch du dir abschauen kannst: Grau unterstreicht leuchtende Farben.

Outfit-Tipps Männer
Farbkreis nach Johannes Itten. Foto: JO

Das wusste bereits Johannes Itten, Erfinder des Farbkreises, den wir alle aus dem Kunst-Unterricht kennen. Mondrian schuf ab dem 1920ern seine geometrischen Bilder (Neo-Plastizismus). Sie sind damit 100 Jahre alt – dafür haben sie sich sehr gut gehalten. Es ist eine hohe Kunst, einen Look zu kreieren, der auch in 100 Jahren noch modern wirkt.

Wenn es gut aussehen soll: Bauhaus

Das ist ebenfalls den Architekten des Bauhauses gelungen. Ihr Geheimrezept war es, Design auf seine Grundbestandteile zurückzusetzen – die Grundformen wie der Kreis oder das Rechteck, die Grundfarben wie Rot, Blau und Gelb – und diese dann wieder neu zusammenzusetzen. Zum Beispiel mit den erlesensten Materialien (Walter Gropius und Mies van der Rohe). Auch das ist ein Styling-Trick, den ich mir aus dieser Zeit als Motto fürs Alter vorgenommen habe:

Kaufe zurückhaltende Key-Pieces in höchster Qualität, die du dann beliebig kombinieren kannst.

Das kann zum Beispiel ein eleganter Kaschmir-Rollkragen-Pullover sein oder ein edler Wollmantel mit einem klassischen Muster, wie zum Beispiel Hahnentritt.

Ernst Ludwig Kirchner und die Expressionisten

Fotos: Volker Pilz und in der Mitte Ernst Ludwig Kirchner, Tinzenhorn Wikimedia

Kürzlich war ich in Wien und entdeckte im Leopoldmuseum eine beeindruckende Ausstellung über den Berliner Expressionismus. Nicht nur die Zeit, in der die Kunstwerke entstanden sind, (1900 – 1930) fasziniert mich. Es war die Ära der Technologiesprünge, der großen gesellschaftlichen Umwälzungen und natürlich auch der großen Dramen unserer deutschen Geschichte, die uns bis heute prägt. Auch die sich daraus ergebende Kunst zieht mich immer wieder in ihren Bann, zumal meine Wahlheimat Berlin für sie so eine große Rolle gespielt hat.

Vor allem die Bilder der Expressionisten stechen dabei heraus; denn sie verstanden es, die Farben von ihren Formen zu entkoppeln und in ihren Bildern die schillerndsten Farbkompositionen zu vereinen, die ich gesehen habe.

Kirchner malte dabei gern Berliner Straßenszenen: Elegante Damen auf dem Bürgersteig, vorbei flanierende Herren mit Stock und Hut. Seine Figuren wirken wie Fledermäuse: dunkel und zackig gemalt – die Flächen strotzen hingegen vor Farbe: pinke Bürgersteige, violett farbige Kleider, türkise Häuserwände. So sah selbst damals kein Bürgersteig aus. Es sind diese Farbkompositionen, die mich so beeindrucken: Türkis mit Pink und Lila. Später malte er in seiner Wahlheimat die Schweiz beeindruckende Natur-Panoramen.

Oder die Burg auf Fehmarn von 1912. Hier malt Kirchner die Burg in einem leuchtenden Kirschrot, umgeben von waldgrünen Bäumen und einem kobaltblauen Himmel. Alles ergänzt durch himmelblau gemalte Burgwände. Eine Farbkomposition, die danach schreit, gemeinsam in einem Outfit getragen zu werden. Das sind die Farbkompositionen der Dreier- und Vierer-Regel (Farbakkordik), wie sie bereits Johannes Itten beschrieb: Legt man ein gleichschenkliges Dreieck über den Farbkreis, ergeben sich diese Farbkompositionen. Itten unterscheidet aus der Stellung der Farben im zwölfteiligen Farbkreis:

a) Zweiklänge (Gegenfarben)
b) Dreiklänge (im gleichseitigen Dreieck)
c) Vierklänge (im Quadrat, im Rechteck oder im Trapez)
d) Sechsklänge (im Sechseck stehende Farbtöne)

Es sind für das menschliche Auge angenehme Farbkombinationen, die auch die Natur schafft. Man denke an die rote Rose mit ihren grünen Blättern vor einem blauen Himmel.

Königsblau trifft Zitronengelb

Roy Lichenstein
Fotos: Marcel Scheid (links und rechts) und JO (Mitte)

Ich musste schmunzeln, als ich das Bild „Glas und Zitrone vor einem Spiegel“ von Roy Lichtenstein kürzlich in Wien in der Albertina gesehen habe: Ich selbst habe das leuchtende Königsblau mit einem kontrastierenden Gelb als Mischung im Sommer getragen. Beide Farben verstärken sich auf angenehme Weise – das leuchtende Königblau ist zudem eine Trendfarbe zurzeit und findet im Gelb einen starken Partner. Beide Primärfarben liegen nicht direkt im Farbkreis gegenüber – noch besser wäre ein sattes Orange als Partner. Probiert es mal aus als Outfit, zum Beispiel ein blaues Sakko mit einem T-Shirt oder Hemd in den beiden Farben. Oder als Einstecktuch. Oder als Schal. Achtung: Ein dunkles Gelb mit Blau erinnert schneller an die 1970er und an den Amigo-Schulranzen aus den 1980ern.

Vincent van Goghs Herbstfarben

Bilder: Volker Pilz und Wikimedia

Auch dieses Outfit ist von einem berühmten Bild inspiriert. Du ahnst schon, welches: Es ist „Caféterrasse am Abend“ von Vincent van Gogh. Ich habe dieselben Farben gewählt wie der Maler. Das dunkle Blau, das strahlende Gelb und der Bronze-Ton ergeben eine gute Kombination für den Herbst: Vor allem die Braun-Rot-Töne wie Sugar Almond, Terrakotta oder Bronze hängen derzeit vielerorts in den Läden.

Eine gute Wahl also als Sakko- oder Mantel-Farbe für den Herbst!