Er hat mit großen Künstlern wie Kandinsky, Klee und Gropius verkehrt, er hat den berühmten Farbkreis erfunden, den wir vermutlich alle im Kunst-Unterricht gemalt haben: Johannes Itten. Anhänger des Bauhauses und Mitbegründer der ästhetischen Farbenlehre. Itten (1888 – 1967) kann erklären, warum manche Farben miteinander harmonieren und andere sich gegenseitig stören. Warum mögen wir manche Outfits sofort – warum sehen wir in anderen überhaupt nicht aus? Mit Itten finden wir die Erklärung, wie wir Männer in Outfits besser wirken. Also, legen wir los mit den Outfit-Tipps für Männer.
Wer Style Statements regelmäßig liest, weiß, dass ich kürzlich bei einer Farbberatung war (hier meine Reportage). Ich saß bei Angela Dietrich auf dem Stuhl, mit dutzenden Tüchern um den Hals und der Frage „Welche Outfit-Tipps für Männer wird sie mir gleich geben?“ im Kopf. Da kamen wir auf Johannes Itten zu sprechen. Itten fand heraus, dass wir Bilder malen und Harmonien wählen, die unserer eigenen farblichen Harmonie aus Teint, Haarfarbe und Augenfarbe entsprechen.
Er konnte in einem Experiment gemalte Bilder exakt seinen Schülern zuordnen. Wer harte Kontraste im Gesicht mit dunklen Haaren hatte, malte sie auch auf den Bildern. Wer eher weichere Züge hatte und lieber Pastell-Töne trug, bannte sie auch auf die Leinwand.
Ist schöne Kunst somit subjektiv oder tatsächlich objektiv zu beurteilen? Und ist auch ein Outfit letztlich Kunst und unterliegt damit Ittens Regeln der ästhetischen Farbenlehre?
Inhaltsverzeichnis

Diesen Fragen ging ich nach und bestellte mir Ittens Band als große Coffee-Table-Version. Einst hat sie über 120 Euro gekostet, ich erstand sie für die Hälfte auf eBay. Ich rate es jedem, mir nachzumachen. Denn die Studienausgabe auf Amazon hat laut vieler negativer Kommentare einen schlechten Druck. Wenn, dann lieber richtig! Das Buch kam nach Ostern in einem großen Paket, aufmerksam dick eingepackt und wie neu. Bei der Lektüre zeigte sich schnell:
Es gibt in der Tat allgemein verbindliche Farbgesetze und Regeln, auf denen unsere ästhethische Beurteilung der Farben basiert. Unsere Beurteilung ist somit mehr als nur subjektive Meinung.
Unser Gehirn und unser Augen verlangen regelrecht nach bestimmten Farbkombinationen. Das geht sogar so weit, dass unser Gehirn manche Farben tatsächlich ergänzt, obwohl diese gar nicht da sind. Ein ähnliches Prinzip wie beim Goldenen Schnitt, den unser Gehirn und Auge ebenfalls als so wohltuend empfindet, weshalb professionelle Fotografen ihre Bilder entsprechend aufbauen.

Ob Maler oder Fashionisto: Wer „das allgemein Richtige“ und die Wirkung von Farben kennt, kann sie gekonnt einsetzen. Denn wie sagte Itten so schön:
„Farbe ist Leben, denn eine Welt ohne Farben erscheint uns wie tot.“
An dieser Stelle muss ich kurz einstreuen, dass Farben letztlich Licht sind. Das Licht ist die Mutter aller Farben und je nachdem, wie viel Licht bestrahlte Objekte schlucken, entstehen die Grundfarben Rot, Gelb und Blau. Schwarze Körper schlucken alles Licht, weiße keins. Deshalb gehören Schwarz, Weiß (und auch Grau) zu den sogenannten „unbunten Farben“.
Die lichtvollste Farbe nach Weiß ist Gelb. Deshalb war sie früher dem Kaiser vorbehalten. Niemand außer ihm durfte ein gelbes Kleid tragen. Gelb war und ist bis heute (man denke an die englische Queen und ihre Lieblingsfarbe Gelb) das Symbol höchster Weisheit und Erleuchtung. Doch erst im Zusammenspiel entfalten Farben ihre Spannung. Wie Männer die 7 Farbkontraste für sich nutzen können – hier die Outfit-Tipps.

Komplementär-Gesetz
Unser Auge ist befriedigt, wenn Farben das Komplementär-Gesetz erfüllen. Auf Ittens berühmten Farbkreis mit zwölf Farben liegen sich Farben genau gegenüber, die als Outfit wunderbar harmonieren:
- Violett und Gelb
- Blau und Orange
- Grün und Rot
Wenn wir zum Beispiel ein grünes Quadrat längere Zeit betrachten und dann die Augen schließen, erscheint uns vor dem inneren Auge als Nachbild plötzlich ein rotes Quadrat. Das Gehirn setzt diesen Komplementärkonstrast somit selbst, wenn er fehlt. Die Natur macht das Komplimentärgesetz überdies vor: Man denke an die rote Rose, die als Komplimentärpartner das grüne Blatt hat.
Komplementärfarben sind ein seltsames Paar: sie liegen sich zwar gegenüber, fordern sich aber gegenseitig förmlich heraus „und steigern sich zu höchster Leuchtkraft im Nebeneinander und vernichten sich in der Mischung zu grau – wie Feuer und Wasser.“ Eine leidenschaftliche Beziehung.
Outfit-Tipps für Männer 1: Nutze die klassischen Komplementärfarben für ein Aufsehen erregendes Outfit: Mit Blau und Orange oder Grün und Rot als Kombinationen machst du Eindruck.
Vorsicht aber mit Violett und Gelb! Dazu später mehr.
Leuchtkraft steigern oder mildern
Du magst im Sommer eine leuchtende Farbe, willst sie aber doch dezent tragen? Dann beachte den:
Outfit-Tipps für Männer 2: Kombiniere leuchtende Farben mit einer weißen statt einer dunklen Hose.
Weiß schwächt die Leuchtkraft von Farben und macht sie dunkler. Ein gelbes Polo-Shirt sieht mit einer weißen Hose deutlich ruhiger aus als mit einer schwarzen. Bei Letzterer wird der Kontrast so stark, dass diese Kombination als Warnfarbe perfekt im Straßenverkehr sowie in der Natur (die Biene) funktioniert.

Den Hell-Dunkel-Kontrast nutzen
Grau ist dieser schüchterne Freund, der mit den richtigen Leuten in der Party-Runde förmlich auftaut. Oder in den Worten von Johannes Itten: „Neutrales Grau ist stumm, aber leicht erregbar zu herrlichen Tönen.“

Denn frische Farben wie Pink, Gelb, ein Grasgrün oder ein Rosa befreien Grau aus dem neutralen Nichtfarben-Zustand und verwandeln es gemäß der komplementären Farbwirkung in eine tatsächlich erregende Farbe. Das heißt:
Outfit-Tipps für Männer 3: Nutze Grau als neutralen Vermittler, um andere Farben stärker zum Leuchten zu bringen.
Ein graues Element im Outfit, wie zum Beispiel ein Gürtel oder eine graue Strickjacke, kann sogar zwei grelle Farben zusammenbinden und somit perfekt ergänzen. Ein leuchtendes Grasgrün als Hose mit einem pinken Polo-Shirt können durch einen grauen Cardigan tatsächlich tragbar werden.
Der stärkste Hell-Dunkel-Kontrast ist natürlich Schwarz-Weiß. Beide tauchen allerdings in Ittens Farbkreis nicht auf, da sie wie oben geschildert keine Farben im klassischen Sinne sind („unbunte Farben“). In Ittens Kreis sind es Gelb und Violett, die den stärksten Hell-Dunkel-Kontrast bilden. Beide zusammen ergeben durch ihren Kontrast ein spannendes Outfit, aber eine gelbe Hose zu einem violetten Polo-Shirt wirkt zu stark. Warum? Dazu gleich mehr.
Outfit-Tipps für Männer 4: Nutze den stärksten Hell-Dunkel-Kontrast Violett und Gelb für dein Outfit. Es geht nicht spannender.
Der Kalt-Warm-Kontrast

Auch kalte und warme Farben lassen sich hervorragend kombinieren: Rotorange und Blaugrün wie hier auf dem Foto sind zum Beispiel wunderbare Matching-Partner für Outfits. Ein blaues T-Shirt plus ein roter Schal ergeben in diesem Kontext eine stimmige Kombination.
Outfit-Tipps für Männer 5: Als bestes Beispiel unter den sieben Farbkontrasten funktioniert ein Rot-Orange mit einem Blau-Grün. Beide liegen sich polar gegenüber.

Auch zwei kombinierte Grüntöne können einen spannenden Warm-Kalt-Klang erzeugen. Ihr glaubt es nicht? Dann schaut euch dieses Bild von Auguste Renoir aus dem Jahr 1876 an. Hier seht ihr, welches Zusammenspiel das Blaugrün und Gelbgrün ergeben.
Outfit-Tipps für Männer 6: Kombiniere warme und kalte Grüntöne, zum Beispiel Gelbgrün mit Blaugrün.
Der Qualitätskontrast
Der Qualitätskontrast stellt den Grund dar, warum Looks in einer Farbfamilie (monochrome Looks) so gut funktionieren. Wie du sie trägst, verrate ich dir hier in meinem Blogartikel „Ton in Ton total“. Darin stelle ich sieben Farben vor, die sich für einen monochromen Look anbieten. Itten liefert nun die Erklärung. Qualitätskontrast meint den Sättigungsgrad einer Farbe: diese kann leuchtend (rein) sein, oder getrübt (abgeschwächt).
Outfit-Tipps für Männer 7: Nutze den Qualitätskontrast in monochromen Looks, wie zum Beispiel Blau, Rot oder Beige, um einen spannenden Look zu erzählen.

Der Quantitätskontrast
Hier wird es nun spannend, denn hier kommt die Antwort auf die Frage, warum eine gelbe Hose leider nicht zu einem violett farbigen Polo-Shirt aussieht. Beide Farben ergänzen sich eigentlich perfekt – doch muss auch das Größenverhältnis stimmen. Hier sind wir bei den Lichtwerten, die der gute Wolfgang von Goethe aufgeschrieben hat. Demnach sollte ein Gelb nicht im Verhältnis 50:50 mit Violett kombiniert werden. Besser sieht es aus, wenn das Gelb als Accessoire zum Einsatz kommt und einen Viertel Anteil vom Violett hat – zum Beispiel als Einstecktuch. Erst dann nimmt unser Augen beide Farben als gleichwertig wahr. Bei einer gelben Hose ist das Gelb zu dominant im Vergleich zum Violett.
Outfit-Tipps für Männer 8: Wenn du Gelb mit Violett einsetzt, dann besser im Verhältnis 1:4, sprich als Accessoire.

Das gilt übrigens auch für Blau und auch bei Rot sollte Rot die größere Farbfläche haben, damit das Gelb gut aussieht. Erst in diesem Spiel der Farben sehen starke Farben gut aus. Und wie schon oben beschrieben: Wähle zu einer kräftigen Farbe am besten lieber ein Beige oder ein Grau als ruhigen Gegenpart.
Die Farbakkordik
Bisher haben wir stets zwei Farben kombiniert. Ein Outfit wird aber durch eine dritte Farbe noch spannender. Ich selbst trage gern drei Farben in Outfits. Bisher aus Bauchgefühl – nun liefert Itten die Empfehlung hierfür: Wähle als dritte Farbe die aus, die mit den anderen beiden ein gleichschenkliges Dreieck in Ittens Farbkreis bildet.

Hier auf den Bildern mache ich es mit den Farben des berühmten Bildes „Komposition 1928“ von Piet Mondrian. Es basiert auf den Primärfarben Rot, Gelb, Blau, die ich wie das Bild von Mondrian mit einem hellen Weiß-Grau untermale. Grau zählt bekanntlich nicht als Farbe, deshalb drei Farben. „Gelb-Rot-Blau ist der eindeutigste und mächtigste dieser Dreiklänge. Man könnte ihn als Urklang bezeichnen“, sagt Itten.
Outfit-Tipps für Männer 9: Trage den Urklang als stilsicheres Outfit: Gelb, Rot, Blau in Kombination mit einem Weiß-Grau.
Mondrian beschränkte sich in seinen späteren Bildern auf die drei Grundfarben Gelb, Rot, Blau und malte sie mit Weiß und Schwarz. Das Bild „Komposition 1928“ strahlt für mich eine unglaubliche Ruhe aus: Jede Farbe ist an ihrem richtigen Platz und steht im richtigen Verhältnis zu den anderen Farben.
Wahrscheinlich mag ich auch deshalb die Stofftasche im Stil des Bildes so gern. Und weil sie mich an New York erinnert: Ich habe sie dort im MoMa gekauft.
Ein weiterer guter Dreiklang entsteht mit den Sekundärfarben Violett, Grün und Orange. Wenn du ein grünes Sakko also aufwerten möchtest, empfehle ich dir hier mal mit einem Violett als Hemd anzufangen – und ein orange farbiges Einstecktuch damit zu kombinieren. Daraus entsteht ein sehr schöner Dreiklang.
Outfit-Tipps für Männer 10: Nutze Ittens Dreiklang, um ein Outfit zu veredeln: Grün, Violett und Orange sind eine schöne Kombination.

Wie ihr hier auf diesem Ralph Lauren Einstecktuch seht, nutzen die bekannten Designer ebenfalls diesen Dreiklang, um Kleidungsstücke raffiniert zu designen.
Wenn ihr also (so wie ich) Farben mögt, dann tobt euch gern mit Hilfe dieses Blogbeitrags aus. Oft weist uns das Bauchgefühl den Weg – und ab und an einfach der Zufall. Manchmal schmeiße ich abends Kleidungsstücke übereinander und bin erstaunt, welche Farben gut miteinander harmonieren. Wie viele berühmte Mode-Designs wohl schon so entstanden sind?
