Am 18. September vor 20 Jahren strahlte ProSieben die erste „Sex and the City“-Folge in Deutschland aus. Eine Serie, die ganze Generationen von Singles geprägt hat – Frauen wie Männer. Mich eingeschlossen. Für die ikonographischen Looks verantwortlich: Patricia Field. Mit stolzen 80 Jahren (!) stylt sie derzeit die Charaktere der angesagten Netflix-Show „Emily in Paris“ – wie macht diese Frau das in einem Alter, wo andere längst in Rente sind? Was können auch wir Männer von ihrem Gespür für Style und Stil lernen? Und inwiefern hat sich Patricia Field auch von der LGBT-Community inspirieren lassen? Und nicht nur sie.

Wenige Serien haben das geschafft, was „Sex and the City“ bei mir geschafft hat: Wie Carrie Bradshaw hielt ich plötzlich die flache Hand aufs Herz, wenn ich emotional wurde. Wie Charlotte York schaute ich auf einmal das Kinn einziehend eingefroren drein, wenn jemand etwas Unverfrorenes sagte oder Unmögliches machte. Von Samantha übernahm ich den lehrreichen Satz: „Ich liebe dich – aber ich liebe mich mehr!“ Und von Patricia Field den Mut, im Style gewagter zu werden.

Patricia Fields Style in „Sex and the City“

An den Looks der vier Frauen aus New York konnte ich mich nicht satt sehen – es war dieses Spiel mit der Mode, dieses permanente Wühlen in der prall gefüllten Fashion-Box, das die eigentliche Hauptfigur der Serie war. And Just Like That – so die neue Serie, die bald kommt – war es vorbei. Nach 6 Jahren, 94 Folgen und 2 Kinofilmen war Schluss.

Geblieben ist der untrügliche Style der Serie, der erstaunlich gut die 20 Jahre überdauert hat. Das macht immer das Gute aus: Es war gut, es ist gut, es wird gut sein! Das gilt für die Musik, die Literatur, die Architektur – und für die Mode. Sie muss uns auch heute noch berühren. Und das schaffen die 20 Jahre alten Looks erstaunlich gut. Das Kompliment gebührt Patricia Field, die mit ihren 80 Jahren selbst eine Frau ist, die ungemein jugendlich, mutig und innovativ wirkt. Das steht ihr nach wie vor unglaublich gut:

Wer ihr auf Instagram folgt, sieht das sofort. Sie trägt Hotpants, obwohl die Beine faltig sind. Sie trägt aufregende Dekolletés. Sie färbt ihr Haar knallrot und macht dies zu ihrem Signature Look. Sie hat den großen Kinofilm „Der Teufel trägt Prada“ mit Merryl Streep ausgestattet. Und just like that stylt sie die Netflix-Serie „Emily in Paris“ und hier unter anderem die bezaubernde Lilly Collins als die Hauptfigur Emily.

Es gibt viele Beiträge über „How to dress like Sex and the City Characters“ für Frauen – aber keine für Männer. Dabei funktionieren ihre Style-Tricks auch für uns Männer. Ich habe viel von Patricia Field gelesen, gesehen und gehört – und verrate euch hier, wie:

1) Lasse modische Welten aufeinandertreffen

Anglerhüte, Baretts, superkurze Minis: Emily ist mit ihren Outfits immer over the top. Unangepasst. Anders. Patricia Field macht es selbst ähnlich. Sie vermischt Accessoires, die eigentlich nicht zusammengehören. Sie zitiert die Pop-Kultur mit auffälligen Accessoires und mixt diese mit klassischen sehr mädchenhaften Outfits bei Emily, die damit im Grunde angelehnt an Carrie ist. Das geht auch mit dem Sexappeal von Samantha Jones, die stark körperbetonte Outfits mit sehr eleganten und damenhaften Kleidungsstücken mischt. Blazer, Bleistift-Röcke, spitze Schuhe, auffällige Statement-Schmuckstücke, laute Farben. Samanthas Pendant in Emily in Paris ist deren Agentur-Chefin Sylvie. Bei beiden Serien zieht Patricia Field dieselben Karten, die auch Männer ziehen können:

  1. Konservativ trifft verspielt
  2. Sexy trifft Power-Suits
  3. Laute Farbe trifft klassischen Schnitt

Ich habe diese Prinzipien in dieses Outfit übersetzt:

Patricia Field Style
Fotos: Marcel Scheid

Verspielt ist das Hemd im Tom- und Jerry-Look. Ein Hemd, das ich so auch locker in Patricia Fields legendärer NYC Boutique gefunden hätte. Hier hat sie die Popkultur rauf und runter zitiert, sie macht es sogar heute noch in ihrem Online-Art-Store. Die Künstler*innen spielen hier ebenfalls mit der Popkultur der vergangenen Jahrzehnte. Sakko und Hose sind im klassischen Schnitt. Die Piet-Mondrian-Tote-Bag habe ich tatsächlich aus New York aus dem MoMa-Store. Der Hufteisen-Anhänger ist von Thomas Sabo und die Joerg-Kette ebenfalls aus New York.

2) Sei gay and flamobyant – sei bunt und bold!

Patricia Field Style
Carrie mit Samantha unterwegs. Fast. Zwei Drag Queens beim CSD. Foto, Unsplash, Bret Kavanaugh

Madonna klaute das Voguing aus der Gayszene New Yorks der 1980er – Patricia Field inspirierte sich vom flamboyanten Style der Drag Queens. Ihr Shop war dort, wo die Gayszene in New York war, sie selbst lebt offen lesbisch. Im Grunde sehen auch ihre vier Charaktere in „Sex and the City“ aus wie Drag Queens. Das Glitzernde, Schillernde, Flamboyante trugen auch Carrie Bradshaw und Samantha Jones auf.

Wie Männer dies in ihren Look übertragen: Mehr Mut zur Farbe, zur Lebensfreude und zum Style Statement mit außergewöhnlichen Accessoires. Wir Männer können uns in der Gegenwart mehr trauen als noch unsere Väter und Großväter: Ein rosa Hemd ist im Business schon lange nichts Ungewöhnliches mehr. Warum nicht im Sommer mal ein leichtes Viskose-Hemd mit einem erfrischenden floralen Muster? Oder die auffälligen Sneaker zum sonst zurückhaltendem Büro-Look? Sei bunt und bold, lautet das Motto von Patricia Field, an dem sich auch Männer orientieren können – denn Field hat es selbst aus der LGBT-Community übernommen.

Capsule Wardrobe
Foto: istock g-stockstudio

In ihren vielen Interviews sagt Patricia Field oft denselben Schlüsselsatz:

„Ich mag es, wenn meine Charaktere interessant und originell sind anstatt trendy.“

Für Patricia Field geht die Originalität über den Trend. Sei kein Sklave von Trends. Sei lieber originell. Und du selbst! Auch das ist ein schlauer Trick, nicht altbacken auszusehen. Denn Trends kommen und gehen – ein eigener Stil, der originell wirkt und auf Stücken mit Qualität beruht, bleibt. Männer können hier sehr schön spielen, indem sie auf Klassiker der Herrenmode setzen und diese mit behutsamen Eingriffen zeitgemäß stylen. Schau hierzu mal meinen Beitrag Basisgarderobe für Männer an. Hieraus habe ich das Bild mit dem Mann in Jeansjacke übernommen. Ein Look, der im Grunde zeitlos ist. Eine helle Jeansjacke und Chinohose sind absolute Klassiker der Herrenmode. Du kannst sie jderzeit neu stylen, indem du lautere Farben ergänzt.

Die Klassiker also nicht wegschmeißen, sondern gut pflegen und verwahren. Zum Beispiel in einem Fach am Boden des Kleiderschranks. Ich selbst nutze hier Vakuum-Staubeutel, aus denen man die Luft per Staubsauger absaugen kann. Schafft viel Platz auf kleinem Raum!

Darauf aufbauend bieten sich Accessoires an, aktuelle Trends und Farben aufzugreifen. 2021 sind das zum Beispiel Neon-Farben, Beerentöne und ein Gelb-Grau-Mix (Pantone-Farbe des Jahres). Selbst Carrie Bradshaw hatte bei allen ihren Outfit-Wechseln als Figur einen Signature Look: die Ray-Ban-Brille, die Halsketten (Namenskette und Hufeisen) sowie den auffälligen Fake-Fur-Mantel.

4) Mixe Alt mit Neu

Kleidung aussortieren Kleiderschrank ausmisten

Diese Hemden wollte ich vor einiger Zeit alle aussortieren; ich hielt mich zurück und verstaute sie im Vakuum-Beutel. Denn einige der Hemden kamen tatsächlich wieder zum Einsatz.

Im Grunde zitiert Patricia Field permanent Mode der Vergangenheit und mischt sie mit zeitgemäßen Teilen neu zusammen. Dieses Patchwork erschafft im Grunde zeitlose Looks. Es ist ein super Trick, die Garderobe ständig neu zu mischen – ohne dafür völlig neu einzukaufen. Patricia Field sagte mal:

„Geh zu deinem Kleiderschrank, zieh verschiedene Teile raus und trag sie in einer Weise zusammen wie du sie noch nie zusammen getragen hast.“

Ein absolut guter Tipp, der zum jetzigen Nachhaltigkeitstrend passt. Patricia Field mixt hier Sachen, die auf den ersten Blick gar nicht zusammen passen:

  • Ein Tom- und Jerry-Hemd mit einem klassischen Sakko im Business.
  • Ein schicker Schuh mit einer Jeans
  • Ein Muster mit einem Teil in einer bunten Farbe

Sie lädt ein, sich hier von der eigenen Garderobe einmal überraschen zu lassen, statt ständig neue Teile in den Warenkorb zu legen oder aus der Shopping-Mall mitzubringen. Patricia Field:

„Es geht darum, einzigartig auszusehen und zu wissen, wer man ist. Man muss Vertrauen in seinen Geschmack und seine Gefühle haben.“

Ein schöner Styling-Tipp, da er im Grunde besagt, dass unser Stil im Alter immer besser wird – eben, weil wir uns besser kennen als noch mit 19 oder 20 Jahren.

5) Mach dich frei von Labels

Konsum
Foto: Unsplash, Jules D.

Stil bedeutet nicht, teure Teile zu kaufen. Es geht um Leidenschaft und Lust. Das klingt natürlich etwas nach Hohn aus dem Mund von Patricia Field, die ihre Figuren in absolut teure Designer-Roben steckt. Allein die Schuhsammlung von Carrie hat den Wert eines New Yorker Apartments. Emily besitzt Taschen, die mehr kosten als sie im Monat verdient. Diesen Styling-Tipp beherzigt Field also nicht für diese Erfolgsserien, die auch einen kommerziellen Druck haben. Wohl aber für sich selbst. Denn viel lieber trägt sie mutige Kleidung ohne klare Labels. Eine Haltung, die auch Männern gut steht. Ich sehe selbst auf Instagram, wie viele – vor allem schwule – Männer Luxusmarken zur Schau stellen, um letztlich dazu zu gehören.

6) Erzähle eine Geschichte mit deinem Outfit

Berlin Street Style
Fotos: Björn Akstinat

Diese Outfits von Männern stammen aus dem Buch „Berlin Style“; mit dem Fotografen Björn Akstinat habe ich ein Interview geführt. Das Schöne an diesen Outfits – sie erzählen alle eine Geschichte:

  • Der moderne Berlin-Look: Schwarz auf Weiß mit dem kraßesten Kontrast überhaupt sowie mit gerader Silhouette und kräftigen Materialien (das Oberteil besteht aus einem neoprenartigem Stoff).
  • Der 80’s-Silvester-Stallone-Look: Bart und Brustbehaarung treffen die 1980er mit seidener Gym-Hose und Trainingsblouson
  • Weiter rechts die auffälligen Dandys: Mit Hut herausgeputzt, mit Liebe zum Detail in den Accessoires (Tasche, Fliege, Einstecktuch, Ketten). Der Herr ganz rechts geht in die Richtung Hippie mit seinen langen Haaren und dem weit geöffnetem Hemd.

Patricia Fields wohl wichtigster Styling-Tipp: Sei narrativ in deinem Style.

Patricia Field meint, es BRAUCHE dieses Narrativ, um interessant zu sein. Was ist das Hauptthema? Das erfüllen die Basic-Teile. Welche Accessoires können dieses Thema dann weitererzählen und ausschmücken? Der Styling-Tipp: Lege dir einen Fundus an Accessoires an, aus dem du dich für ein Outfit bedienen kannst. Ein überschaubares Fach für Männerschmuck (Meine Tipps zu Ringen und Ketten findest du hier)

7) Trage als älterer Mann kein Vintage

Vintage sieht gut an jungen Menschen aus – nicht an alten. Es macht uns Männer in den Vierzigern oder Fünfzigern und Sechzigern nur noch älter. Auch ich habe das als wichtigen Hinweis bereits vorgestellt, in meinem Beitrag: Wie Männer jünger wirken. Damit meine ich:

  • das 1960er-Seidentuch im Hemdkragen
  • die Paperboy-Mütze
  • die Golduhr vom Vater
  • die Hosenträger vom Großvater

Und das im schlimmsten Fall alles zusammen. Bernhard Roetzel im Bild oben hat einen der Klassiker der Herrenmode geschrieben. Er trägt viele tolle Looks und deshalb verzeiht er mir sicherlich, wenn ich diesen einen als problematisches Beispiel ausgewählt habe. Der Mix aus allem zusammen macht ihn leider alt: Der gelbe Hans-Dietrich-Genscher-Gedächtnis-Pullover, gemeinsam mit der Vintage-Uhr und dem Hahnentritt-Sakko. Wie hätte es anders gewirkt mit einer modernen Uhr, mit einer gerade angesagten Farbe als Einstecktuch oder mit einer kantigen Brille, die ihm das Kreative gäbe?

Besser: offen bleiben für neue Looks, für etwas Sex-Appeal, weil das auch als Mann im Alter geht. Schöne Beispiele hierfür habe ich euch in meiner Style Stalking-Reihe zusammengestellt. Lasst euch inspirieren!