Die Zahl der Kleidungsstücke mit Polyester-Anteil ist dramatisch gestiegen. Medien wie der SPIEGEL und Umweltschutz-Organisationen wie Greenpeace beklagen eine regelrechte „Polyesterschwemme“ durch die Fast-Fashion, welche die Umwelt enorm belastet. Aber auch für hochwertige Sportbekleidung wie von adidas, Nike, Under Amour oder Puma kommt Polyester zum Einsatz. Wie kann das sein? Und kann ich noch guten Gewissens Kleidung aus Polyester kaufen? Welchen Fußabdruck hinterlässt Polyester in der Umwelt? 10 Fragen – 10 Antworten.
1. Polyester ist sowohl Stoff der Billigmode als auch das Material für teure Sport-Kleidung. Wie geht das zusammen?
Polyester ist nicht gleich Polyester, sondern der Oberbegriff für ganz verschiedenartige Kunstfasern (siehe Materialkunde für Männer unten). Mittlerweile ist Polyester in mehr als 60 Prozent unserer Kleidung enthalten, informieren die Greenpeace-Autoren des Buches „Einfach anziehend” über Wegwerfmode.
Bei der Qualität dieser synthetischen Fasern kommt es darauf an, wie fein der Faden gesponnen ist, welche Oberflächen-Struktur er hat und, ob er noch zum Beispiel mit Silber-Ionen vermischt ist. Letzteres zum Beispiel bei Unterwäsche, wie ich hier im Unterwäsche-Guide erkläre. All das setzt dann am Ende den Maßstab, ob das Kleidungsstück von schlechter oder guter Qualität ist.
2. Wieso wird Polyester gern für Sportkleidung verwendet?
Heutzutage kann die Textilindustrie Fäden spinnen, die eine intelligente Wabenstruktur haben, wodurch der Träger in diesem Gewebe weniger schwitzt als in anderen Fasern, allen voran: Baumwoll-Kleidung. Das Mikrofaser-Handtuch aus dem Urlaub ist das beste Beispiel um zu verstehen, was eine Polyester-Faser heute leistet: Das Handtuch trocknet schnell ab – und wird selbst innerhalb kurzer Zeit trocken. Baumwolle hingegen hat die unangenehme Eigenschaft, bis zu 60 Prozent ihres Gewichts an Feuchtigkeit aufzunehmen. Und Feuchtigkeit bindet wiederum unangenehme Gerüche. Wer möchte das schon beim Ausüben seiner Sportart? Kein Wunder also, dass synthetische Stoffe in der Sportbranche so verbreitet sind.

3. Wie kann ich das schlechte Polyester vom guten unterscheiden?
Hier ist es sinnvoll, sich an Marken und am Preis zu orientieren. Marken-Hersteller sind zum Beispiel auf Funktionsunterwäsche aus Polyester spezialisiert und setzen sogar Silberionen ein, die Gerüche binden. Zum Beispiel für den Outdoor-Bereich, wie Wandern.
4. Polyester-Kleidung kann ich meistens nur bei 30 Grad waschen. Ist das nicht für Sportkleidung unhygienisch?
Die Frage ist, ob man Sportkleidung oder Unterwäsche aus Polyester oder mit überwiegendem Polyester-Anteil überhaupt heißer als 30 Grad waschen muss. Die künstlichen Fasern nehmen Gerüche nicht so stark an wie Baumwolle, also müssen sie auch nicht auf 40 oder 60 Grad gewaschen werden. Falls doch mal zu heiß gewaschen: Polyester hat die positive Eigenschaft, einrecht strapazierfähiges Material mit einer hohen Festigkeit zu sein, das Einlaufen in der Regel widersteht.
Ein Polyester-Sportshirt verrottet auf der Deponie erst nach 500 Jahren
5. Warum ist Polyester so problematisch für die Umwelt?
Weil Polyester-Textilien aus Kunststoff gemacht werden, ähnlich wie Plastikflaschen, auch bekannt als PET (Polyethylenterephthalat). Und Kunststoff wird bekanntlich aus Erdöl hergestellt. Bei der Herstellung wird viel Energie benötigt, Altkleidung wird kaum recycelt, sondern zu 75 Prozent entweder verbrannt oder auf die Deponie geworfen. Dort verrottet ein Sportshirt aber erst nach 500 Jahren (Quelle: Der Spiegel, Nr. 2/18)! Hätte das der britische Chemiker John Rex Whinfield geahnt, als er in den 1940ern die erste Polyesterfaser Terylene erfunden hat.
6. Wenn Polyester aus Erdöl besteht und Erdöl immer knapper wird: Warum ist es dann der Stoff der billigen Fast-Fashion?
Wir haben offenbar immer noch genügend Rohöl. Ist der Rohölpreis niedrig – sind auch die Produkte hieraus preiswert. Und ganz wichtig: Für die Erzeugung von Kunststoffen wird nur neun Prozent des Erdöl-Jahresverbrauchs benötigt. Den Rest verbrennen wir mit unseren Fahrzeugen (Autos, Lkws, Flugzeuge) und Haushalten. http://www.wiwo.de/technologie/forschung/trendwende-im-energiemarkt-oelverbrauch-koennte-um-2030-weltweit-sinken/10306684-3.html Es ist also im Grunde nur ein Bruchteil, was an Erdöl in die Petrochemie fließt: also in Kleidung, Textilien, Farben, Lacke – und übrigens auch in Kosmetika.
7. Könnten wir auch ganz auf Polyester verzichten?
Für Kleidung wahrscheinlich schon – nicht aber für technische Textilien. Der Airbag im Auto ist zum Beispiel ohne Polyamid nicht möglich. Aber es gäbe Alternativen, die ebenfalls auf Kohlenstoffe basieren und aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Die schlechte Nachricht: Leider auf Basis von Rohstoffen, die auch für unsere Nahrungsmittel-Herstellung nötig sind. Wie zum Beispiel Mais. Die gute: Man könnte die Pflanzenabfälle wie Blätter und den Stängel für die Textilindustrie verwenden und die Maiskolben für die Ernährung der Bevölkerung.
8. Könnte Baumwolle Polyester in der Kleidung ersetzen?
Für den Pullover im Alltag: ja. Für die Outdoorjacke beim Wandern: nein. Damit eine Baumwolljacke hier ähnlich regen-/wasserfest wie eine Polyesterjacke ist, muss man die Baumwolle chemisch stark behandeln. Damit käme man vom Regen in die Traufe. Einen Tod muss man also leider sterben. Bei der Fleecejacke drunter sieht das bereits anders aus. Hier kommen Outdoormarken wie Vaude bereits auf findige Ideen, Fleecejacken auf Holzbasis zu entwickeln.
Polyester ist übrigens auch in Verruf geraten, weil Mikroplastikpartikel beim Waschen ausgeschwemmt werden. Aber hier muss man klar einordnen: Das Hauptproblem bei Plastik sind nicht unsere Polyester-Pullover, sondern unsere Verpackungen und angeblich auch der Reifenabrieb unseres Straßenverkehrs.
9. Wie kaufe ich nun als Verbraucher ein?
Ich selbst vermeide mittlerweile günstiges Polyester in meiner Alltagskleidung wo es nur geht. Pullover, Hosen und T-Shirts – sowie Textilien wie Bettwäsche und Handtücher – kaufe ich möglichst nur noch aus natürlichen Materialien. Hier ist die Auswahl ebenfalls groß. Die sind auch atmungsaktiver, wenn es im Job mal stressig wird. Achtung hier auch bei den Innenfuttern von Sakkos und Blazern.
Bei Sportkleidung, wie T-Shirts, Shorts und Sportschuhe, habe ich mich für meine Sportarten aufs Nötigste beschränkt: Muss es fürs Fitnessstudio immer wieder ein neues Oberteil sein? Oder reichen nicht doch ein, zwei hochwertige Shirts, die mann abwechselnd trägt? Vermeidet doch einfach den Müllberg im Kleiderschrank und wählt beim Kauf geschickt aus, was ihr wirklich braucht. Hier empfehle ich meinen Artikel Shopping-Hacks.
10. Wie entsorge ich nun meine Polyester-Kleidung korrekt?
Schwierig. Denn machen wir uns nichts vor: lediglich 1 Prozent der Kleidung aus Altkleidercontainern wird recycelt und dem Stoffkreislauf zurückgeführt (Quelle: Ellen MacArthur Foundation). Dazu ist es zu aufwändig, Polyester von anderen Stoffen zu trennen. 75 Prozent der Altkleider werden am Ende verbrannt. Oder in Entwicklungsländer geschifft, wo sie die örtliche Textilindustrie kaputt machen. Es gilt leider der harte Spruch: „No one wants your used clothes anymore as fast fashion floods the bins.“ Auf Deutsch: Niemand möchte deine Altkleider mehr, so lange Billigmode den Markt überschwemmt.
Wir können uns nicht länger mit dem Gang zum Altkleider-Container nachträglich ein gutes Gewissen verschaffen. Wir müssen schon beim Kauf bedenken, welche Auswirkungen dieser Konsum hat. Altkleidung jetzt einfach in die Mülltonne zu werfen, ist aber nicht die Alternative. Dann wird sie hundertprozentig verbrannt. In den Altkleidercontainern besteht wenigstens noch zu einem Viertel die Chance, dass die Kleider tatsächlich noch mal getragen werden. Ich selbst setze hier auf die Container vom Deutschen Roten Kreuz zum Beispiel.
Anmerkung: Ich danke der Hochschule Niederrhein, genauer dem Forschungsinstitut für Textil und Bekleidung, für die Unterstützung beim Erstellen dieses Artikels. Das Forschungsinstitut hat zur Thematik hochspannende Forschungsprojekte. Mehr dazu demnächst auf diesem Blog. www.hs-niederrhein.de/textil-bekleidungstechnik/
Wisse, was du auf deiner Haut trägst:
Materialkunde für Männer

Baumwolle:
Vorteile: hautfreundlich, atmungsaktiv, verträgt bei der Wäsche hohe Temperaturen und bleibt (bei guter Qualität) dennoch in Form
Nachteile: Speichert Körperschweiß wie ein Schwamm, klebt dann am Körper und kühlt ihn leichter aus.

Polyester: (Überbegriff für Polymere)
Vorteile: leichtes Tragegefühl, sehr reißfest, knittert wenig, atmungsaktiv (bei guter Qualität), Körperschweiß wird schnell aufgenommen und nach außen abgegeben
Nachteile: die „Umweltfreundlichkeit“, basiert auf Erdöl und ist damit aus dem gleichen Material wie PET-Flaschen. Und im Alltag kann Polyester-Kleidung leicht müffeln, wenn es mal stressig zugeht.

Acryl (korrekt Polyacryl)
Vorteile: Wird von der Textilindustrie gern in Strickwaren beigemischt, es macht diese reißfest, knitterarm und pflegeleicht. Und es ist billiger als Wolle. Strickjacken mit Acrylanteil leiern zum Bespiel weniger aus als 100 Prozent Baumwolle. Acryl hält den Körper überdies schön warm.
Nachteile: die Faser ist hitzeempfindlich und darf nie über 40 Grad gewaschen werden. Achtung auch beim Bügeln (niedrigste Stufe) – und vor Menschen mit brennenden Zigaretten: Acryl ist leicht entflammbar.

Polyamid (auch Nylon oder Dederon)
Wird eher für Damenstrümpfe verwendet, für andere Kleidung wie Sportkleidung meistens im kleinen Anteil als Beimischung
Vorteile: sehr elastisch, reißfest, knittert wenig
Nachteil: Wie Polyester eine Kunstfaser auf Erdölbasis

Elasthan:
(auch bekannt als „Lycra“, der Markenname von DuPont)
Die synthetische Elastik-Faser kommt zum Einsatz, um die Passform und den Tragekomfort zu erhöhen
Vorteil: hochelastisch, die Faser lässt sich um das drei- bis siebenfache seiner Länge dehnen, guter figurbetonter Sitz
Nachteil: nur mit geringen Temperaturen waschbar

Modal/Viskose
Vorteil: Fasern aus Holz (Cellulose), guter Sitz, hautfreundlich, weich
Nachteil: Cellulose hört sich natürlich an – für die Herstellung ist aber ein aufwändiges chemisch-technisches Verfahren nötig
3 comments
Ich muss dir leider widersprechen: Die Waschung von synthetischen Textilien macht 35% des gesamten Eintrages von Mikroplastik in die Meere aus. Reifenabrieb liegt dahinter mit 28%, Stadtstaub mit 24% und den Rest teilen sich Straßenmarkierungen, Körperpflegeprodukte und Littering sowie Fischernetze (Quelle: Quelle: Boucher, J. and Friot D. (2017). Primary Microplastics in the Oceans:
A Global Evaluation of Sources. Gland, Switzerland: IUCN. 43pp.) .
Man kann bei Polyestermode einfach kein gutes Gewissen herstellen, indem man sagt, es macht nicht so viel aus: Es ist der HAUPTGRUND für Meeresverschmutzung mit Mikroplastik.
Danke Nunu, ich werde mir eure Zahlen mal in Ruhe anschauen. LG Jörg