Aktuell lockt wieder der Sale: Was in deinem Kopf passiert, wenn du Rot (im Schaufenster) siehst, warum du den Schlussverkauf in bestimmten Stimmungslagen meiden solltest und vor welchen Marketing-Tricks Hirnforscher warnen – das erkläre ich in diesem Blog-Post. Und verrate dir außerdem noch, wie du auch trotz Jagdtrieb auf Schnäppchen im Sale mit Köpfchen kaufst.

Schlussverkauf im Online-Shop von Zara: Die ohnehin schon preiswerten Mäntel und Jacken sind noch mal deutlich reduziert. Die Gelegenheit! Blöd, wenn ich da nicht zuschlage, denke ich und lade die Jacken in meinen Einkaufskorb. Doch wirklich brauche ich sie nicht: alles recht verziertes und verschnörkeltes Zeug. Wilde Muster, „inspiriert“ von den großen Designern dieser Saison. Nicht wirklich Basics und schwierig kombinierbar. Noch dazu aus Polyester, was bekanntlich nicht das umweltfreundlichste Material ist, wie Greenpeace herausgefunden hat. Bevor ich mich versehe, sind vier Mäntel und Jacken im Warenkorb auf dem Weg zur Bezahlung. Zara macht an dieser Stelle zusätzlich Druck…

Die Sale-Tricks: Was im Kopf passiert

Ein grau-grüner Mantel im Military-Stil mit Gold-Knöpfen und Fake-Fur-Kragen sei bereits vergriffen. Jetzt muss ich schnell handeln. Bevor ich mich versehe, sind vier Kleidungsstücke im Wert von mehr als 200 Euro auf dem Weg zu mir. Und in dem Moment, als Paypal mich über die abgebuchte Summe informiert, schaltet sich wieder mein Vorderhirn ein und fragt: Was hast du da gerade gemacht? Warum hast du Kleidung eingekauft, die du nicht wirklich benötigst? Und die sich noch nicht mal gut kombinieren lässt? Obwohl du es als Blogger für Modethemen doch besser wissen solltest… Ich begebe mich auf die Suche nach den Antworten.

Beim Sale werden im Kopf andere Hirnareale aktiviert als beim logischen Denken. Hat also der Steinzeitmensch in mir nicht Mammuts erlegt, sondern Mäntel mit Leoprint „geschossen“?

Ein Freund hat sofort eine parat: Beim Sale werden im Kopf andere Hirnareale aktiviert als beim logischen Denken. Hat also der Steinzeitmensch in mir nicht Mammuts erlegt, sondern Mäntel mit Leoprint „geschossen“? Machen wir uns nichts vor: die Händler sind uns in der Antwort längst voraus. Neuromarketing heißt die Trickserei, mit der uns Händler immer mehr zum Kauf verführen wollen. Die Flächen sind voll – es gibt immer mehr und inzwischen viel zu viele Kleidungsstücke. So rückt der Schlussverkauf im Kalender immer weiter nach vorne und sogar noch vor Weihnachten. Die Händler haben Angst, dass sie auf der Ware sitzen bleiben. Wenn die ersten anfangen, müssen die anderen nachziehen. Soweit zum Mechanismus des Marktes. Wie aber funktioniert der Mechanismus in meinem Kopf?

SaleTipps
Smarter im Sale shoppen: Mit den unten stehenden Tricks klappt’s. Foto: Jelena Danilovic

Wer „Sale“ und „Hirnforschung“ googelt, landet schnell auf der Seite von Planet Wissen. Dort berichten die Redakteure von Probanden, die in den Kernspintomographen geschoben und deren Gehirn-Aktivitäten darin von Wissenschaftlern gemessen werden. Welche Areale im Kopf reagieren auf Marken, Logos – und auf Preise? Ich lerne, dass der „Nucleus accumbens“ in meinem Gehirn besagter Teil ist, der kurzerhand die Oberhand übernimmt. Er ist das Belohnungszentrum, will konsumieren und dann Glückshormone ausschütten. Er ist impulsiv, unkontrolliert. So wie ich im Zara-Schlussverkauf. Die Forscher stellen fest, dass bei Rabatten das Blut im Gehirn eine Umleitung nimmt: weg vom Kontrollzentrum, hin ins Belohnungszentrum. Doch dann das „Aber“…

Das heißt aber noch lange nicht, dass ich tatsächlich zugreife. Einen „Kauf-Knopf“ im Gehirn können Hirnforscher bis heute nicht finden – und Marketing-Experten entsprechend noch nicht so einfach„drücken“. Nur weil mein Belohnungszentrum stärker durchblutet ist, heißt das noch lange nicht, dass ich sofort zuschlage. Der Kaufprozess sei komplexer, sagt „Planet Wissen“.

Fehl-Käufe: Warum wir sie machen

Warum kaufen wir dann aber Dinge, die wir gar nicht brauchen? Hirnforscher und Bestseller-Autor Dr. Hans-Georg Häusel („Brain View – Warum Kunden kaufen“) ist hier von der Zeitschrift „Barbara“ befragt worden. Er sagt: „Jeder macht Fehlkäufe.“ Ob diszipliniert oder hedonistisch – egal. Entscheidend ist die Stimmung. Gemeint ist: die gute Stimmung. Will heißen:

1. Im Urlaub kaufen wir mehr.

Da wollen wir uns verwöhnen, genießen. Uns nicht geißeln oder kritisieren. Lerneffekt: ein gesundes Kritikbewusstsein (Brauche ich das wirklich?) sollte auch mit in den Urlaub reisen.

2. Wenn es uns schlecht geht, kaufen wir mehr

„Jetzt war der Tag so scheiße, dann kauf ich wenigstens irgendwas, um aus dem Frust rauszukommen.“ Wer diesen Gedanken-Kreislauf erkennt, kann ihn durchbrechen.

3. Einkaufen, wenn es uns „so mittel geht“

„Sicher vor Fehlkäufen sind wir eigentlich nur, wenn es uns so mittel geht“, sagt der Mann mit dem Doktortitel. Also: Sich „so mittel fühlen“ ist das Mittel für den Sale. Ist man zu gut oder zu schlecht drauf, sollte man um die Schaufenster mit den roten Buchstaben S-A-L-E lieber einen Bogen machen.

4. Sich nicht unter Druck setzen lassen

Wenn die Stückzahl künstlich verknappt wird und wir mitkriegen, dass auch andere zuschlagen, kaufen wir nicht mehr rational, sondern instinktiv wie der Neandertaler, der futterneidisch zuerst drankommen will. „Wir kaufen dann nur noch, damit der andere es nicht bekommt“, sagt der Diplom-Psychologe. Ich erinnere mich an den Fake-Fur-Military-Mantel. Ich wollte ihn haben, weil ihn auch andere so dringen kaufen wollten.

Wie mann klüger kauft, sei an dieser Stelle nun auch verraten.

Sale-Tipps Nr. 1): Was brauchst du wirklich?

Ich bin ein Listen-Mensch. Einkaufsliste, Koffer-Pack-Liste. Liste für den Drogeriemarkt. Also habe ich auch eine Liste, welche Kleidungsstücke ich wirklich benötige. Und da steht kein Leoprint-Mantel und auch keine Brokat-Bomberjacke. Die Liste könnt ihr bequem auf dem Handy anlegen und habt sie so immer dabei. Ist wirklich mal was im Sale, das ihr braucht: zugreifen. Und damit sind eher die schlichten Basics (gut kombinierbar) und Klassiker (bleiben immer stylish) gemeint. Also: Statt Leoprint-Mantel lieber den blauen Wollmantel schießen, mit dem ihr noch lange Freude haben werdet.

Sale-Tipps Nr. 2): mit guter Vorbereitung kaufen

Lieber am Anfang des Sales einkaufen (da hat man noch die meiste Auswahl) und mit Begleitung. Ich habe einen Freund, der seine Mutter mitnimmt. Im proppenvollen Laden sind alle Umkleidekabinen verstopft, also zieht er sich zwischen den Kleiderständern um. Seine Mutter dient – böse gesagt – als Kleiderhalter. Sie passt auf die bereits ausgewählten Stücke auf, damit niemand anderes zugreift. Wer Stammkunden bei den großen Labels ist, wird mittlerweile sogar vor allen anderen per Newsletter informiert oder sogar per persönlichen Hinweises eines aufmerksamen Verkäufers.

Sale-Tipps Nr. 3): Label-Lover kommen zum Zug

Es gibt Läden, die betrete ich nur, wenn der Sale draußen dran steht. Sie sind mir sonst einfach zu hochpreisig. Ein T-Shirt für 79 Euro. Eine Hose für 220 Euro. Dafür muss ich viele Zeilen schreiben. Im „Sale“ sinken aber nun die hohen Preise auf ein für mich bezahlbares Segment. Viel Qualität für wenig Geld – das ist die Chance zum Zugreifen.

Sale-Tipps Nr. 4): Sale mit Outlet kombinieren

Outlets sind nicht jedermanns Sache. Kritiker schimpfen, Labels lassen extra für sie produzieren und drehen Kunden so manchen Ramsch an. Die ARD hat hierzu eine Reportage gemacht. Meine Meinung: wir sollten hier als Kunden selbst wieder ein Auge für Qualität entwickeln. Schaut euch die Kleidung an: Sind die Nähte gut verarbeitet, fühlt sich der Stoff angenehm an? Sind die Knöpfe hochwertig? Alles Indizien für Qualität. Ich habe bereits Mäntel im Outlet geschossen, für die Freunde im Laden den doppelten Preis bezahlt haben. Ich habe Outlet-Jeans, die absolut top sind. Ich habe aber auch zwei Polo-Shirts eines namhaften Labels gekauft, die nach dreimal Waschen bereits Knubbel bekommen haben. Da wurde ich leider doch reingelegt.

Sale-Tipps Nr. 5): Denke langfristig statt saisonal

Ist das Sale-Schnäppchen auch noch zwei Saisons später tragbar? Bleibt das Muster im Trend oder raunt ein Verkäufer schon ein paar Monate später „It’s so last season, darling!“? Kaufe also nicht nur für dieses Jahr, sondern gleich schon fürs nächste. Das gelingt, indem du über die Trends auf dem Laufenden bleibst. Viele Farben und Muster sind nicht nur eine Saison tragbar, sondern längerfristige Entwicklungen. Das schreibe ich zum Beispiel im Artikel Die Must-haves für den Winter.

Sale-Tipps Nr. 6): Denk nicht nur an dich – auch an die Händler

Wer im Sale kauft, sollte wissen: die Händler machen die Preisreduzierungen nicht freiwillig. Sie benötigen Geld für neue Ware. Preisnachlässe bis zu 70 Prozent tun ihnen richtig weh. Wer im stationären Handel kauft, sollte zudem berücksichtigen, dass dieser Personal und Ladenmiete bezahlen muss. Eine gute Beratung bei einem Mittelständler sollte einem also durchaus etwas wert sein. Es gibt davon (leider) immer weniger.

Sale-Tipps Nr. 7): Kaufe anti-saisonal

Eine Halloween-Fliege mit Blutspritzern für zwei Euro – ein Weihnachtspullover für 15 Euro, eine Badehose im Winter: sind solche größeren Anlässe vorbei, werden diese Saison-Artikel in der Tat verramscht. Doch das nächste Halloween und Weihnachten kommen so sicher wie Sense und Schoko-Fresskoma. Also: warum nicht zuschlagen und auf Vorrat legen?

Die Zara-Mäntel sind einen Tag nach diesem Artikel gekommen. Ich habe sie alle anprobiert. Ich habe sie alle zurückgeschickt. Gekauft habe ich mir letztlich zwei Steppwesten bei Uniqlo aus echten Daunenfedern, die ich unter meinen leichten Übergangsmänteln tragen und diese wintertauglich machen kann. Sie waren beide nicht im Sale. Ich habe sie trotzdem gekauft. Ich habe sie wirklich gebraucht.