Was trägt Mann, wenn „Smart Casual“ gefragt ist, zum Beispiel auf einer Einladung zur Hochzeit? Was ist der momentan große Trend fürs Büro? Und wie vermeiden Männer unvorteilhafte Outfits? Fragen an die Stilberaterin Claudia Reuschenbach aus Köln-Bonn. Und dann gibt es da noch ein Thema, das ihr sehr am Herzen liegt, und für das Klienten bis aus Australien zu ihr kommen: Stilberatung für Trans*Menschen.
Claudia, steht „Smart Casual“ auf einer Einladung, stehen viele von uns Männern dumm da. Wie würdest du es erklären?
Das ganze Thema „Casual“ ist tatsächlich viel schwieriger, als es sich anhört. Am Anfang denken viele Männer: ‚Ach schön, da kann ich anziehen, was ich will.‘ Aber dann… Früher war es relativ einfach, sich als Mann formal anzuziehen: Anzug, Hemd, Krawatte, fertig. Heutzutage ist es eine totale Gratwanderung, wenn du casual angezogen sein möchtest. Denn es betrifft die Frage: Wo hört Freizeitmode auf, und wo fängt Businessmode an?
Smart Casual heißt im Grunde sportlich und doch elegant.
Und dann kommt jetzt noch „smart“ dazu…
Genau (lacht). „Smart“ heißt im Grunde „sportlich, aber doch elegant“, wobei sich diese Worte fast ausschließen. „Smart Casual“ ist dann entsprechend ein aufgelockerter Business-Stil. Letztlich kann man(n) dann das Haus zum Beispiel im formalen Business-Look verlassen – mit dem großen Unterschied: definitiv keine Krawatte.

Zur Person: Claudia Reuschenbach:
- Seit 2013 Stilberaterin in Köln-Bonn: https://stilstrategie.de
- verbindet Wirtschaft und Mode, durch ihre langjährige Erfahrung bei Telekom und Deutsche Post
- Claudia Reuschenbach ist über das Nähen zur Ausbildung „Fashion-Stylistin” gekommen. Heute berät sie Männer wie Frauen zum stilbewussten Auftritt im Job.
Ich hatte „Smart Casual“ mal als Dresscode für eine Hochzeit. Auf der Feier waren alle ganz unterschiedlich angezogen. Vom formalen Look mit Krawatte bis zur Freizeit-Kluft in Turnschuhen. Es war ein totales Chaos!
Smart Casual ist leider so vielseitig, dass man eigentlich machen kann, was man will. Aber man kann je nach Veranstaltung mit Smart Casual auch sehr viel falsch machen.
Wie würdest du denn deinen eigenen Mann am Kleiderschrank beraten, wenn Smart Casual gewünscht ist? Nehmen wir als Beispiel eine Abendveranstaltung mit dem Chef und Kollegen.
Fangen wir mal unten an: Wenn es doch eher schicker wird bei Sportlich-Elegant, dann würde ich Lederschuhe statt Turnschuhe wählen. Schuhe sind das Wichtigste beim Look. Ein Outfit mit Jeans und weißem T-Shirt kann je nach Schuh Business, Sportlich oder sogar ein wenig sexy werden. Deshalb rate ich dem Mann hier zu Stiefeletten, Budapestern oder Brogues.
Wie geht es dann weiter?
Ich bin ein großer Jeans-Fan. Das muss keine Blaue sein, sondern gern auch eine Graue oder Schwarze. Achtung hierbei: Möglichst wenig Destroyed-Effekte auf der Jeans, das sieht zu salopp aus. Darüber ein schicker Gürtel, ich empfehle einen braunen Gürtel, der das Braun der Schuhe aufgreift. Und oben herum funktioniert sowohl ein T-Shirt mit Sakko als auch ein Hemd mit Pullover. Wenn es eine schickere Veranstaltung wird, dann empfehle ich das klassische Hemd mit einem Freizeit-Sakko.
Smart Casual ist der derzeitige Trend fürs Büro.
Ich habe gesehen, dass die Jersey-Sakkos hier wieder nächstes Jahr stärker kommen werden (für mehr schaut euch meinen Trend-Bericht 2020 an). Das gilt auch für weiße Sneakers. Klingt danach, dass Smart Casual auch mehr und mehr der Look fürs Büro wird.
Das stimmt. Es ist der derzeitige Trend fürs Büro. Das geht auch nicht wieder zurück. Jersey-Sakkos sind dabei super praktisch, angenehm zu tragen und bequem.
Warum sind für Männer eigentlich so viele Sakkos slim oder sogar extra-slim? Es gibt doch einige Männer, die am Bauch etwas mehr haben…
Letztlich hängt es vom jeweiligen Designer ab. Wer eine tolle Figur hat, sollte ruhig was Körperbetontes wählen. Aber Männer sind auch gut mit einem Sakko beraten, an dem man ruhig noch ein paar kleine Änderungen vornehmen muss. Ein passgenau sitzendes Sakko ist fürs Business enorm wichtig, um einen guten Eindruck zu machen.

Und wenn ich als Mann etwas Bauch habe und doch mal einen schönen auffälligen Gürtel tragen möchte? Kann ich das machen?
Dann trägst du ein Sakko drüber. Dadurch teilst du deine Hüfte in drei Teile auf: Sakko recht und links und in der Mitte dein toller Gürtel. Das ist eine optische Täuschung und führt dazu, dass du mit drei schmalen Teilen weniger breit aussiehst als mit einem breiten. Fürs Bäuchlein habe ich auch einen Tipp: Je dunkler die Hemdfarbe, desto schlanker wirkst du am Bauch. (Mehr zum Thema optische Täuschung nutzen findest du in meinem Blogbeitrag über Streifen).
Kleidung sollte immer körperbetont sein. Das heißt nicht knapp und eng, sondern: die Silhouette zeigend.
Viele Männer mit Bauch tragen das Hemd lieber über der Hose. Dann hat man schnell den „Zelt-Look“…
Den Zelt-Look würde ich niemandem empfehlen. Kleidung sollte immer – auch mit Bauch – körperbetont sein. Das heißt nicht knapp und eng, sondern: die Silhouette zeigend. Das ist wichtig! Westen kommen jetzt auch wieder, damit kann Mann auch gut sein Hüftgold kaschieren.
Damit sind wir mittendrin in deiner Beratung. Wie gehst du bei männlichen Klienten vor?
Hier kommt es drauf an, ob die Männer mit mir lediglich Shoppen gehen möchten, weil sie das allein nicht so gut hinbekommen, oder ob sie wirklich mal von der Pike auf beraten werden möchten. Dann gucken wir uns die Farben an, die sie gesund und aktiv aussehen lassen. Auch die Farbpalette ist für Männer im Business breiter geworden. Früher war es Grau und Blau, jetzt können sich Männer farblich richtig austoben.
Mode ist wie eine Fremdsprache: Du kannst sämtliche Eigenschaften in dein Äußeres übersetzen.
Findest du als Expertin, dass deutsche Männer modischer werden?
Es gibt immer noch ein paar Einkaufsmuffel, aber vor allem die junge Generation ist total informiert. Die jungen Jungen interessieren sich total für Mode – das liegt gewiss auch an den Sozialen Netzwerken. Und das ist toll, denn ich sehe Mode wie eine Fremdsprache: Du kannst sämtliche Eigenschaften in dein Äußeres übersetzen.
Wie siehst du als Fashion-Expertin, der Mode so viel wert ist, vor diesem Hintergrund den großen Trend zur Fast Fashion? Wie passt die berühmte deutsche Sparsamkeit mit der Liebe für Mode zusammen?
Bei meinen Klienten stelle ich fest, dass sie schon gewillt sind, Geld für Mode auszugeben. Aber es muss dann vernünftige Ware zu einem vernünftigen Preis sein. Ich finde selbst auch, dass es ein ausgewogenes Potpourri sein soll: zwischen bezahlbaren Basics und ruhig ein paar Highlights, die was kosten können.
Du berätst auch Trans*Menschen, hast hierfür die eigene Homepage www.transtypberatung.de. Wie bist du zu diesem Thema gekommen?
Jemand aus meinem engeren Familienumfeld ist Transgender. Vor zwei Jahren hat er uns gesagt, dass er trans ist. Daraufhin habe ich bei meinem Stylisten-Job gedacht: Gibt es denn auch Beratung für Trans*Menschen? Ich habe da aber nichts Gutes gefunden. Entweder waren die Websites uralt oder eine Travestie-Beratung, was ja etwas ganz anderes ist. Und da wußte ich dass ich vielen Leuten mit meiner Arbeit etwas Gutes tun kann, weil die Landkarte hier ein einziger weißer Fleck ist.

Ich finde es toll, dass du das mit in deinen Beruf aufgenommen hast. Wer kommt da hauptsächlich zu dir?
Vor allem Transfrauen; sprich Frauen, die im Körper eines Mannes geboren sind. Für die ist es wahnsinnig schwer, weil die Physiognomie weiterhin sehr männlich bleibt: eine große Statur, Bartwuchs, die dunkle Stimme als Beispiele. Teilweise ist es eine richtige Herausforderung – dafür sind aber viele Klienten so dankbar, dass wir uns oft anfreunden.
Wie hilfst du diesen Menschen, ihr Wunschgeschlecht nach außen zu zeigen?
Viele, die kommen, haben bereits ihren ersten Lebensabschnitt im Geburtsgeschlecht hinter sich. Einige sind bereits Väter und Ehemänner und wussten teilweise lange Zeit nicht, was mit ihnen los war. Wir sprechen über Kleidung, Frisuren, Make-up, Silikonbrüste – also Äußerlichkeiten – aber auch über Bewegungen, Mimik, Verhaltensweisen und Gestik.
Merkst du auch, dass sich die gesellschaftliche Akzeptanz für Trans*Menschen verbessert?
Es ist grundsätzlich nach wie vor im Alltag schwierig. Aber es tut sich momentan unheimlich viel. Die Akzeptanz der jüngeren Generation ist wirklich super. Die sagen: ‚Es kommt auf den Menschen, nicht aufs Geschlecht an.’ Für die ältere Generation ist der Turnaround im Kopf hingegen noch schwierig. Für sie ist es so außergewöhnlich und sie sagen: ‚Es gibt doch nur A oder B.’

Wie berätst du Trans*frauen dann konkret, sich auch modisch als Frau zu fühlen?
Transfrauen fühlen sich als Frauen, mehr noch: Sie sind Frauen durch und durch. Da muss ich oft aufpassen, dass sie es nicht übertreiben. Das geht manchmal in die extreme Richtung: extrem lange Fingernägel, zu viel Make-up, zu lange Haare im fortgeschrittenen Alter. Da muss ich oftmals zügeln, weil es sonst nicht mehr natürlich aussehen würde. Die Arbeit macht mir große Freude. Die Kunden kommen von weit her, um die Beratung in Anspruch zu nehmen. Ich habe mittlerweile sogar Kunden aus Spanien und Australien.
Ich danke dir sehr für das Gespräch und wünsche ich dir viel Erfolg bei deiner Arbeit weiterhin.