Wenn Männer Karriere machen möchten, kommt es auch auf die richtige Kleidung an. Welche Looks passen zur Persönlichkeit, drücken die eigenen Werte aus – und verleihen gleichzeitig Sicherheit und Stärke? Bei diesen Fragen hilft eine Stilberatung mit einer Expertin. Style Statements hat mit Stefanie Diller aus Hamburg besprochen, wie sich eine solche Beratung tatsächlich nachhaltig lohnen kann. Damit beginnt die neue Reihe Experten-Gespräche.
Die New Yorker Stilikone Iris Apfel (hier der Blogbeitrag) ist der Meinung: „Stil kann man nicht lernen oder kaufen. Dein Stil muss aus dir herauskommen – wenn ihn dir jemand anderes erklärt, ist es nicht mehr dein Stil.“ Damit sind Sie doch im Grunde arbeitslos…
Stefanie Diller: Das ist ein Glaubenssatz aus dem vergangenen Jahrhundert. Stil kann man sehr wohl erlernen. Das erlebe ich regelmäßig mit meinen Kunden. Aber manche Menschen bekommen vom Elternhaus ein Gespür für Formen, Textilien und Farben als Gen mit. Sie erreichen dadurch leicht ein Gespür für Ästhetik. Ihnen wurde es meist durch das Elternhaus vorgelebt, zum Beispiel wenn die Mutter ihnen als Kind schon gesagt hat: „Guck mal, das steht dir gut oder das passt gut zusammen.“
Dann liegt guter Stil gar nicht in unserer Hand…?
Doch. Das Wichtigste, um seinen eigenen Stil zu finden, ist es, dass man ein grundsätzliches Interesse an Ästhetik und Schönheit hat. Hinzu kommt das Streben, das Beste aus sich machen zu wollen. Und drittens muss man sich auch selber lieben – und annehmen.

Zur Person: Stefanie Diller von DillerYourself
- lebt in Hamburg
- Modedesign studiert
- berufliche Stationen: Textileinkauf Otto Group, PR Agentur, Gruner & Jahr Redaktion GALA, Vip Service.
-
seit 2000 selbständig, seit 2013: www.diller-yourself.de
Wie kann ich Stil nun lernen, wenn ich ihn nicht in die Wiege gelegt bekommen habe?
Da gibt es verschiedene Wege: Man kann sich fragen, was man nach außen zeigen möchte. Welche Werte prägen mich? Welche Kultur und Gewohnheiten habe ich, und wie sieht mein Alltag aus? Welche Schnitte und Materialien mag ich, worin fühle ich mich wohl? Das bespreche ich immer als erstes mit meinen Kunden. Wie möchte ich wahrgenommen werden?
In immer mehr Unternehmen verschwinden Krawatte und Anzug. Vor allem hier in der Start-up-Hauptstadt Berlin. Wenn jeder in Jeans und Sneakers herumlaufen kann – dann braucht man(n) doch erst recht keine Stil-Beratung mehr…
Gerade im Bereich Business Casual gibt es sehr viele Unsicherheiten. Und es gibt einfach viele Jeans, die gar nicht gut sitzen: Zu groß, zu weit, zu lang. Oder die eine schlechte Waschung haben und somit für die Funktion, die die Person innehat, nicht geeignet sind. Auch bei Turnschuhen gibt es eine riesige Bandbreite. Und natürlich ist es ein Unterschied, ob ich ein Hemd trage, das aussieht, als ob es mir auf den Leib geschneidert ist, oder ob ich eines von der Stange habe, das herumschlabbert.
Wo stößt die Haltung „Alles ist erlaubt“ an ihre Grenzen?
Das hängt von der Branche ab. In der Medien- und Modebranche ist sicherlich sehr viel erlaubt. Bei Banken, Versicherungen und Kanzleien ist hingegen immer noch ein gewisses Niveau an Kleidung gewünscht. Und ich strahle natürlich auch mit einer Shorts und Flip-Flops aus: „Ist mir doch egal! Ich bin jetzt bequem.“ Wenn ich aber Kontakte auf einer Veranstaltung knüpfen will, dann ist der erste Eindruck entscheidend! Und nicht jeder empfindet eine Person mit Shorts auf seinem eigenen Niveau. Damit muss man einfach rechnen.
Man kann nie overdressed sein – aber man kann sehr schnell underdressed sein.
Da klingt der Rat heraus: Kleide dich lieber zu schick als zu salopp, wenn es um etwas geht.
Man kann eigentlich nie overdressed sein. Da wird einem nie jemand was Böses sagen. Aber man kann sehr schnell underdressed sein.
Ist das auch Ihr Vorgehen bei der Stilberatung?
Männer brauchen Unterstützung für die gute Passform der Kleidung, damit es nicht ganz so frei nach dem Motto läuft: „Das passt schon so.“ Ich sehe wenig gut sitzende Kleidung, besonders bei Sakkos und Anzügen fällt das auf. Man sieht viele Standards von der Stange, die unvorteilhaft am Körper sitzen und die Männer schlecht dastehen lassen. Das ist doch schade. Wir sind alle sehr individuelle Persönlichkeiten, das möchte ich in der Stilberatung an Formen und Farben für den jeweiligen Mann herausarbeiten, damit er einfach besser aussieht. Bauchige Figurtypen mit zu engen Hemden sehen zum Beispiel wirklich nicht vorteilhaft aus, oder zarte kleine Männer mit zu langen Jacken bis zu den Oberschenkeln oder große dünne Männer, die zu kurze Pullover tragen. Alles „Kleinigkeiten“, an denen man merkt, ob sich jemand Gedanken zu seiner Kleidung gemacht hat. Darauf achte ich, wenn ich mit meinen Kunden shoppen gehe. Die Kleidung muss zu ihrer Figur und dem Typ passen, sie unterstützen und sie müssen sich vor allem wohl darin fühlen. Kleidung ist unsere zweite Haut, sie supportet den Mensch ungemein, das ist mein Ziel.

Die Briten sind für ihre maßgeschneiderten Anzüge weltbekannt. Auch die Franzosen sind bekannt für ihren guten Stil. Und die Italiener ebenfalls. Hinken wir Deutschen immer noch hinterher oder werden deutsche Männer stilbewusster?
Die Deutschen sind eher „effizient“, was ihren Modestil angeht. Also nur nichts falsch machen und eher praktisch: Jeans und T-Shirt. Aber es gibt einen Part, der stilbewusster wird.
Wer ist dieser Part?
Es sind die Männer, die verstanden haben, dass Kleidung sehr wohl ihren Erfolg beeinflusst, sie unterstützt und ihnen auch ein besseres Körpergefühl gibt. Und die, die international unterwegs sind. Denn ein englischer Banker erkennt sofort, aus welcher Klasse ein Anzug kommt. Will ich also dort – in Frankreich oder Italien – mitspielen, muss ich mich anpassen. Das Feedback, das ich von Kunden bekomme, spiegelt genau das immer wieder.
Liegt es am Alter?
Junge Männer sind noch lockerer, ab 30 werden sie wählerischer und in verantwortungsvollen Posten wird sowieso öfter ein gewisses Niveau an Kleidung erwartet. In Großstädten sieht man das auch eher als auf dem Land. In der Businesswelt eher als im Privaten.
Das Land der Dichter und Denker steht für Schlichtheit, nicht für „sich schick machen“.
Woran liegt es historisch, dass deutsche Männer weniger modeaffin sind?
Deutschland ist ein Land, das es durch Preußen geschafft hat, sich mit Zielstrebigkeit und Sparsamkeit in die obere Riege hoch zu arbeiten. Deutschland steht für Innovation, Schlichtheit und Funktionalität. Da interessiert die Schönheit eines Stoffes weit weniger als die eines Autos. Und deutsche Männer mögen es eben auch praktisch. Ihr Motto: „Ich bin so, wie ich bin. Und es mir egal, was andere von mir denken.“ Das Land der Erfinder, Dichter und Denker steht für Sachlichkeit und Schlichtheit, nicht für „sich schick machen oder in den Mittelpunkt stellen“.
Aber auch das Land der Autobauer – und hier trumpfen deutsche Männer doch gern mit einer noblen Karosse auf…
Das stimmt, da könnten deutsche Männer noch einen Anstoß gebrauchen, nicht nur über den Wagen nachzudenken, sondern auch darüber, in welcher Kleidung sie aus diesem aussteigen.
Wie gehen Sie nun vor bei der Stilberatung? Wie lässt sich die Persönlichkeit in einen Look übertragen?
Ich führe erst mal ein längeres Telefonat mit meinen Kunden und frage sie viel. Nach dem Alltag, wie sie auftreten möchten, nach ihren Werten und ihren Herausforderungen. Was ihnen Sicherheit gibt und worin sie sich wohlfühlen. Das Ganze lässt sich auch per Fragebogen beantworten, wenn ein Kunde das lieber möchte.
Da kommt ja einiges zusammen. Und wie wird daraus ein Look? Wenn jemand zum Beispiel sagt: „Ich bin Stratege, zielorientiert und klar.“ Dann ist das ein Mensch, der eine Kleidung braucht, die sehr korrekt und in Ordnung ist. Mir kommen dann sofort Bilder von Kleidung, die zu ihm passt. Wenn jemand hingegen sagt: „Ich bin offen und kreativ, humorvoll, ein Menschenfreund“, dann sehe ich eher eine legere Kleidung mit helleren Farben und weicheren Materialien vor mir.
Welche Werte können sich konkret in Kleidung ausdrücken?
Das einfachste Beispiel ist der Wert Qualität, der auch eine hochwertige Kleidung erfordert. Sonst wirke ich wenig glaubwürdig.
Wie wir uns in unserer Kleidung zeigen, führt zu Rückschlüssen auf unsere Persönlichkeit.
Das leuchtet ein, dafür bräuchten wir aber sicherlich keine Beratung…
Es sind die Details und der Gesamteindruck unserer Persönlichkeit, der bei anderen Interesse weckt und von uns überzeugt. Das gewisse Etwas eben. Und viele sind mit ihrem Stil unsicher oder in die Jahre gekommen, das lässt sich leicht ändern. Noch mal; wie wir uns in unserer Kleidung zeigen, führt zu Rückschlüssen auf unsere Persönlichkeit.
Und dann kommt eine Basisgarderobe heraus oder wie geht es weiter?
Als zweites sprechen wir über Farben. Es gibt eine Farbberatung, aber ohne Tücher umzuhängen. Ich habe mehr als 1.000 Menschen eingekleidet und inzwischen ein gutes Gespür dafür, welche Farben zu jemanden passen. Und ich möchte die Kunden dazu befähigen, selber zu erleben, wie Farben wirken. Business-Männer haben hier zwar nicht so ein großes Spektrum wie Frauen, aber auch sie können mit Farbe und Wirkung spielen. Und wenn es nur in den Accessoires ist: Einstecktuch, Schuhe, Gürtel oder eben auch Hemden oder Pullis. Da haben es Männer wiederum viel einfacher als Frauen. Mit einer guten Grundgarderobe können Männer bereits auf einem Top-Level sein. Ich entwerfe dann gemeinsam mit dem Kunden ein Basiskonzept, das ebenfalls berücksichtigt, was die Männer bereits im Schrank haben – und was noch fehlt. Als drittes geht um Schnittformen für den jeweiligen Körpertyp und viertens um den Stil an sich: Was passt zum Typ? Welche Accessoires und Details können dazu passen? So formt sich ein „Rezept“ heraus, ähnlich wie bei einem Menü.
Und dann? Schauen Sie nach einem Jahr noch mal, wie nachhaltig die Beratung war?
Viele Kunden lieben es, mit mir darüber hinaus regelmäßig shoppen zu gehen. Ich bereite das Shopping in der Regel vor, gehe in bestimmte Geschäfte, suche den Männern die Kleidung heraus und dann brauchen diese nur das anzuprobieren. Dadurch ist das Shopping effektiv, schnell und spart Geld und Zeit. Und das lieben Männer.

Es ist doch verrückt, dass Männer Brücken bauen, zum Mond fliegen können, aber Kleidung selber kaufen – da stolpern viele drüber…
(lacht) Stimmt. Die meisten Kunden shoppen zweimal im Jahr mit mir, im Frühjahr und im Herbst. Stammkunden schicke ich auch gern mal Links zu guten Online-Shop-Angeboten. Und ich mache mittlerweile auch Online-Beratung.
Was kostet denn eine solche Stilberatung?
Es gibt ein Paket mit einer Stilberatung und anschließendem Shopping, in dem also gleich eine Umsetzung stattfindet; dieses kostet 999,- Euro (inkl. MwSt.).
Eine Menge Geld für viele. Was ist da an Zeitstunden drin?
Da wird man auf jeden Fall schon mal sechs Stunden von mir beraten, da ist ein Telefongespräch dabei, die Konzepterstellung, die Stil- und Imageberatung und das gemeinsame Shopping. Alternativ biete ich auch nur Personal Shoppings an, das kostet ab 150,- Euro pro Stunde.
Wie macht sich dieses Investment für die Karriere bezahlt?
Eine Stilberatung ist wie eine Ausbildung. Das ist nichts für ein paar Wochen oder Monate, sondern fürs Leben. Männer lernen, was für ihren Typ und ihre Figur geeignet ist – und was sie nach vorne bringt und erfolgreich macht. Beispiele und Referenzen finden sich auf meiner Homepage Diller-yourself.de.
Mit Blick auf den Herbst: Was sind denn die spannendsten Trends, die man(n) in seine Garderobe aufnehmen sollte?
Ich bin keine Fashion-Kolumnistin, die die neuesten und heißesten Trends vermittelt. Für meine Kunden ist wichtig, dass sie das tragen, was ihnen steht, und ihren eigenen Stil unterstützen. Natürlich kann und sollte man Trends miteinfließen lassen. Zum Beispiel die schmalen, figurbetonten Anzüge. Nadelstreifen kommen wieder. Bestimmte Farben, die zum Typ passen und einen langen Mantel, wenn er zur Figur passt. Modernität im Outfit ist auch Zeitgeist und vermittelt, dass ein Mensch am Puls der Zeit ist und mitbekommt, wie sich die Welt bewegt.
Wer möchte nicht modern wirken? Also sollte man doch Trends aufgreifen…
Trends, Farben und Muster kann man natürlich aufgreifen; das macht ja auch Spaß. Auch Farben, Kragenformen und Schnittformen. Oft sind es die Details, die das ausmachen. Bei Schuhen sollte man immer am Puls der Zeit sein. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt des Outfits und können alles aufwerten oder herunterziehen.
Ein großer Trend dieses Jahr sind Karo-Muster. Gibt es von Ihnen noch mal einen Tipp, worin man hier investieren sollte?
Große Karos sind ein nicht ganz einfacher Trend, denn Karos tragen gerne auf. Das kann an einem kernigen durchtrainierten Typen super aussehen. Aber wenn ich ein Bäuchlein habe, werde ich mit den meisten Karohemden noch dicker [Anmerkung: Hierzu ein guter Blogbeitrag von Stefanie Diller]. Große Karos machen unglaublich flächig. Und vielleicht sieht der eine oder andere auch ein bisschen wie ein Holzfäller damit aus. Deshalb sind im Business kleinere dezentere Karos mit weniger Kontrasten besser geeignet.
Worin also für den Herbst das Geld ausgeben?
Männer können zum Herbst in einen guten Mantel oder eine tolle Jacke investieren. Schlanke Typen sehen in Trenchcoats immer super aus. Und ich würde etwas Farbe empfehlen, mal einen kräftigen Pulli in Orangerot oder Petrol, da kommt einiges an Möglichkeiten auf uns zu.
Bei Mänteln sind vor allem weite Mäntel im Trend…
Ja, die sind toll. Ob einem das steht, hängt auch von der Körpergröße ab. Kleinen, untersetzten Männern steht der weite Mantel nicht. Bei schlaksigen Figuren sieht es sehr lässig aus. Auch ein cooles graubraunes Tweed-Sakko im Herbst kann man mit vielen Chinos und Hemden oder Rolli kombinieren. Es funktioniert immer und inzwischen gibt es so viele tolle Modelle aus elastischen Materialien, die mit ihren aufgesetzten Taschen echt praktisch und bequem sind. Wobei wir doch wieder beim perfekten Produkt für den deutschen Mann wären.
- Mehr über die wichtigsten Männermode-Trends erfährst du in meinem Blogbeitrag über die Berlin Fashion Week: Review.
- Und wenn du mehr zum Thema Basisgarderobe wissen willst, zum Beispiel wie 30 Kleidungsstücke bereits für eine herrvorragende Garderobe ausreichen, lese gern meinen Blogbeitrag Basisgarderobe – Wie Männer mehr aus ihrer Garderobe machen.
- Die Reihe Experten-Gespräche zum Thema Stil setze ich in den nächsten Monaten fort. Als zweiten Gespräch habe ich für euch ein Interview mit einem Stylisten von der Curated-Shopping-Plattform Outfittery geplant. Hier wird euch mein Gesprächspartner gute Tipps geben, wie Outfits als Ganzes (besser) funktionieren.
Hinweis an dieser Stelle: Alle Gespräche sind ohne Bezahlung geführt. Style Statements ist ein journalistisches und unabhängiges Magazin und macht immer kenntlich, wo ein Honorar geflossen ist.